Zurück zu Khom – Was Helden wollen
Ein Feldzug ist lang, manche Kampagne sogar noch länger. Zwischen beidem gibt es eine aus meiner Sicht spannende Analogie: Beide werden vor allem durch Logistik zusammengehalten. Und damit meine ich nicht Häppchen und Getränke für die SL.
Was ich meine ist, die Spieler*innen (und mich selbst) bei Laune zu halten.
Wie jetzt? Warum muss ich meine Spieler*innen denn bei Laune halten? Wofür treffen wir uns schließlich, wenn nicht zum Spielen? Die sollen sich gefälligst alleine motivieren, wenn ich schon die ganze Arbeit als SL machen muss …
Nun, ich meine ein Phänomen, das im Rahmen von One-Shots meistens gar nicht auftritt, dafür aber bei Kampagnen umso häufiger. Ich nenne es „Luft raus“ (und bin damit sicherlich nicht allein). Oft merkt man es gar nicht, bis es plötzlich über einen kommt. Eben hatte man noch Spaß daran, den Sultan dazu zu bewegen, sich auf die gemeinsame Seite zu schlagen, jetzt, nach der verlorenen Feldschlacht, sammelt man einmal mehr seine Verletzten zusammen und flieht in die Berge, um dahinter neue Verbündete zu finden, die dann in der kommenden Schlacht – jetzt aber dann wirklich! – mal wieder … Wir wissen alle, was kommt, und dass Rückschläge anfangs an der Tagesordnung sein werden, alleine um das Erreichte zum Schluss größer wirken zu lassen.
Alternativ zeigt sich das gemeingefährliche „Luft raus“, wenn man mal wieder einen der vielen kleinen Aufträge abgeschlossen hat, um sich dann dem nächsten zuzuwenden, der zufällig daher kommt und dann dem nächsten und dem nächsten und … Moment mal, wofür machen wir das hier eigentlich? Und was bewirken wir überhaupt?
Viele Kampagnen versuchen, dem „Luft raus“ Problem auf zwei Arten beizukommen:
- Abwechslung (oft geographisch, seltener plottechnisch)
- Machtspirale (steigende Epik)
Beides kann die Khom Kampagne leider nur begrenzt bieten. Was also nun?
Ich schrieb anfangs, dass diese Kampagne vor allem von der Eigenmotivation der SCs (und damit zu einem beträchtlichen Teil auch von der Motivation der Spieler*innen) abhängt. Selbst gestalten ist an der Tagesordnung . Im Grunde macht es das sowohl schwieriger, als auch leichter.
Man kann sich als Spieler*in an schwächeren Tagen nur begrenzt zurücklehnen und die (Railroading-)Bahnfahrt genießen, sondern muss ständig aktiv sein, die Ereignisse trieben. Die gute Nachricht ist jedoch, man kann selbst die Ereignisse gestalten, in die Richtung, die einen interessiert.
Nur, wie konkret anfangen?
Hier habe ich als SL immer gerne mit zwei Dingen gearbeitet:
- Intrigenspiel
- Zielverfolgung
In vielen Runden der Vergangenheit habe ich erlebt, dass nichts in eine Spielsitzung so viel Schwung bringen kann wie Intrigenspiel. Das kann man sich ganz klassisch vorstellen. Ein SC möchte das eine, der andere SC das andere, beide versuchen, die Gruppe sanft dahingehend zu manipulieren, dass der Weg mehr in die eine oder andere Richtung ausschlägt. Hier bieten natürlich die verschiedenen Motivationen wunderbare Aufhänger, da sie ein ständiges Gefeilsche unter den SCs verursachen. Viele Spieler*innen, die ich kenne, genießen es ebenfalls, Geheimnisse zu haben, die den anderen Spieler*innen vorenthalten sind (hierzu in einem späteren Blogpost detailliertere Gedanken). Manche mögen es auch, Konflikte zwischen den SCs aufkochen zu lassen und auszuspielen.
Es muss jedoch nicht nur die Intrige gegen den Mit-SCs sein. Ebenso interessant und langzeitmotivierend kann es sein, sich in den Reihen des Feindes einen oder mehrere „Lieblinge“ herauszupicken, um diese gezielt anzugehen. Das könnten Fallen sein, bei denen die bekannten Schwächen eines der Heerführer ausgenutzt werden, oder Verbreitung von Lügen, Inszenierungen etc. dazu beitragen, die Generalin beim Patriarchen in Misskredit zu bringen. In meiner Runde gab es sogar „psychologische Kriegsführung“ durch Verbreitung von Mythen, oder eine Brieffreundschaft mit einem feindlichen Hauptmann, um zu versuchen, ihn an den Motiven der eigenen Seite zweifeln zu lassen.
Nichts hat meine Spieler*innen so sehr motiviert, wie dieser Aufbau und die Pflege von persönlichen Beziehungen zwischen (N)SCs.
Das zweite Werkzeug, dessen ich mich bedient hatte, war aus meiner Empfindung heraus nicht weniger wichtig. Was nützen den Spieler*innen die schönsten SC-Motivationen, wenn sie nicht die Möglichkeit zur Zielverfolgung haben, sondern nur herumgeschubst werden? Meine Spieler*innen sollten explizit konstant daran arbeiten, ihre Ziele zu verwirklichen – denn dadurch wurde vornehmlich die Handlung vorangetrieben!
Hierzu habe ich mich regelmäßig mit Spieler*innen unter vier Augen zusammengefunden (persönlich, telefonisch oder auch per Mail), um gemeinsam ihre Ziele zu konkretisieren. Wir haben dazu die einfache Teilung in drei Ebenen vorgenommen: langfristig/mittelfristig/kurzfristig.
Wie kann man sich das vorstellen? Beispielhaft möchte ich das hier einmal ausformulieren:
- Langfristig: möchte ich als Al’Anfaner Spion von der Hand Borons die novadischen Heeresbewegungen so sicher wie möglich voraussagen und melden können, damit die Verluste der eigenen Armee möglichst klein gehalten werden.
- Mittelfristig: muss ich dazu Einblick gewinnen und Vertrauen zu Novadis und anderen SCs aufbauen
- Mittelfristig: sollte ich dafür sorgen, dass einer meiner Mit-SCs an entscheidende Schaltstellen kommt, damit er/sie die Heeresbewegungen der Novadis beeinflussen kann. Ich halte mich dann aber zurück, damit der Verdacht auf ihn/sie fällt.
- Mittelfristig: muss ich eine gute Meldekette aufbauen, indem ich Mittelsmänner/frauen finde, die meine Nachrichten überbringen.
- Kurzfristig: muss ich mich also in diese belagerte Stadt einschleichen, auf eine Weise, die mich das Vertrauen der Mit-SCs gewinnen lässt. Also werde ich eine wichtige Geisel „befreien“ und mich mit ihr vor die Stadttore „jagen“ lassen.
- Kurzfristig: muss ich mich in der belagerten Stadt orientieren und den toten Briefkasten einrichten. Hierfür muss ich eine gute Lüge finden, warum ich immer wieder alleine auf Streifzügen unterwegs bin.
Man versucht also, die langfristigen Ziele des SC gemeinsam (Spieler*in und SL) zuerst in mittelfristige und dann kurzfristige Ziele herunterzubrechen. Das hat den angenehmen Nebeneffekt für die SL, dass sie ganz nebenbei schon das meiste der nächsten Spielsitzung vorbereitet hat. Zudem kann man konstant unauffällig in Richtungen lenken, in denen interessante NSCs, Schauplätze oder Ereignisse warten.
Und wenn man dann am Spieltisch das Gesicht von Spieler*innen sieht, die ihre Ziele erreicht haben, ist das auch für die eigene SL-Motivation nicht gar so schlecht.
Diese drei-Ebenen-Systematik (lang/mittel/kurz) ist aus meiner Sicht übrigens auch nicht schlecht für die Kampagnenplanung.
Dieser Ansatz ist nicht nur sehr aufwendig. Er greift vor allem sehr stark in die Gestaltungsmöglichkeiten der Spieler ein. Mir persönlich missfällt das, wenn der SL in Telefongesprächen mit mir meine Charaktermotivation ausarbeitet. Habe ich auch schon mal sehr negativ erlebt, sodass ich letzlich die Gruppe verlassen musste.
Zudem sollte man Charaktermotivation nicht mit Spielermotivation verwechseln. Spieler wollen sich mit Menschen zum Spielen treffen, sich unterhalten, spielerische Herausforderungen meistern und schlicht Spaß haben. Ist alles viel wichtiger als irgendwelche Heldenziele.
Danke für deinen Kommentar, Balduin. Du hast Recht, dieser Ansatz ist sehr zeitaufwändig. Es geht im Prinzip darum, wie viel Zeit ich meinem Hobby geben will (und kann).
Ist natürlich schade, wenn man von seiner SL derart eingeschränkt wird, dass man die Freude am Spiel verliert und keine andere Wahl hat als die Gruppe zu verlassen (habe ich auch mal erlebt).
Das ist hier ausdrücklich nicht so gedacht! Als SL war ich in diesen Gesprächen eher Steigbügelhalter und Plausibilitätsschleife, ähnlich wie man es auch aus dem Spiel kennt („Willst du wirklich ohne Sichersungsseil über diesen bodenlosen Abgrund balancieren?“, „Möchtest du wirklich ohne Verstärkung in dieses Räuberlager eindringen?“ o.ä.). Wenn man als SL „Fan“ seiner SCs ist, hilft das viel, und die Spieler*innen spüren das.
Zum Thema Motivation: Wer so wahnsinnig ist wie meine Mitspieler und ich damals, dieses Monstrum von Kampagne anzufangen, der muss sich bewusst sein, dass es ohne Spielermotivation nicht geht. Alles, was du dazu beschreibst (Menschen zum Spielen treffen, sich unterhalten, spielerische Herausforderungen meistern und schlicht Spaß haben), setze ich als Teil einer lebendigen Gruppe voraus. Die Frage ist für mich eher, ob man bei einer Kampagne bleibt (dann braucht man mehr als Spaß, sich mit den anderen zu treffen), oder halt was anderes macht.
Unser erklärtes Ziel war, so lange wie möglich an dieser Kampagne zu spielen.