Khom – Ebenen der Kampagnenplanung

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Vorweg: Natürlich habe ich die nachfolgende Systematisierungsmethode nicht erfunden. Das erste Mal, dass ich darauf aufmerksam geworden bin, war – soweit ich mich korrekt erinnere, denn es ist knapp zehn Jahre her – ein Blogpost von Karsten oder Jörg auf Spielleiten. Aber auch Beyond the Wall benutzt ein ähnliches System, um Bedrohungsszenarien aufzubauen.

Mir hat es einfach gut gefallen. Und es hilft mir ungemein, meine Spielleitung zielgerichtet zu strukturieren und das derzeit Wichtige vom Unwichtigen zu trennen.

Ich will an dieser Stelle nicht behaupten, dass man die Khom nicht auch ohne eine solche Strukturierung gut und für alle am Tisch befriedigend leiten kann – wer das kann, hat meine aufrichtige Bewunderung, denn ich kann es nicht. Hätte ich es so nicht getan, wäre ich auf andere Methoden angewiesen gewesen, das Spiel zu kanalisieren und nicht beliebig (und damit dramaturgisch flacher) zu machen. Das hätte allerdings einen großen Teil meiner als Präambel gesetzten Parameter „Echte Entscheidungsfreiheit – Echte Konsequenzen“, „Kein Plot“ und „Echte Macht bei den Helden“ beschnitten, da ich früher oder später die Handlungen stringenter hätte vorbereiten müssen und irgendwann gar auf schnödes (wenn vielleicht auch elegantes) Railroading zurückgefallen wäre. Möge jede(r) Spieler*in dort draußen für sich selbst entscheiden, welchen Preis zu bezahlen erstrebenswerter ist.

Wie immer gilt: Es gibt kein richtig oder falsch, sondern nur „Was macht meiner Gruppe und mir im Augenblick die meiste Freude?“

Im Grunde benutze ich dieselbe Drei-Ebenen-Systematik, die ich auch meinen Spielern für ihre Zielerreichung empfohlen habe:

– kurzfristig

– mittelfristig

– langfristig

Man kann sich das vorstellen wie drei Schubladen, bzw. drei konzentrische Kreise, die um das derzeitige Spielgeschehen herum angeordnet sind. Alles, was in einem Kreisring liegt, kann direkten Einfluss auf das nehmen, was im benachbarten Kreisteil geschieht, d.h. „aktuell“ auf „kurzfristig“, dieses wiederum auf „mittelfristig“, usw. und vice versa natürlich ebenso.

Kreismodell zur Kampagnenplanung

Nun, als Allererstes beginne ich, gedanklich zunächst einmal alle Orte, Personen, Plotfäden und -hooks, die mir im Kopf herumschwirren, in diese drei Kreise einzusortieren, um das, was auf die SCs einprasselt, in bestimmten Bahnen zu halten (und vor allem mir nicht zu viel Vorbereitung auf einmal aufzubürden!).

Beispielhaft für die Schauplätze würde ich zu Beginn der Kampagne die Schlacht am Szinto in das aktuelle Spielgeschehen setzen, das Shadif und mögliche Ereignisse an diesem Ort in die kurzfristige Ebene, Unau, Kannemünde und Tarfui in die mittelfristige, Mherwed, Khunchom und diverse Orte des Balash in die langfristige Ebene. So weit, so trivial.

Das gleiche mache ich mit Plothooks, bzw. „Hebeln“, an denen Spieler*innen ansetzen können, um die Ereignisse zu lenken und zu gestalten. Also z.B.:

Kurz: Überleben in der Schlacht, Entkommen vom Schlachtfeld, Verfolgung durch Sklavenjäger, Rückgewinnung der Erinnerungen bzw. verlorener Ausrüstung (Pferde), Orientierung und Finden eines ersten Ziels für die kommenden Tage, …

Mittel: Bewegung der Al’Anfaner durch das Shadif, Scharmützel im Shadif oder Bir-es-Soltan, Begegnungen mit Einheimischen und Kennenlernen der (militärischen) Kultur und Probleme, Erste Begegnungen mit Stammesführern, Jikhbar ibn Tamrikat als Schlüsselperson zu Sultan (potentiell zukünftig Kalif) Mustafa, Belagerung von Unau, Blockade von Kannemünde, Auskundschaften der feindlichen Armee und deren Anführer, Überführung Al’Anfanischer Agenten, …

Lang: Störung von Nachschublinien, Herbeiführung (bzw. Beschleunigung) des Kriegseintritts seitens Bornland, Aufbau eines Kandidaten für die Nachfolge des Kalifs (Mustafa?), Verhindern anderer Kalifenkandidaten wie z.B. Hasrabal von Gorien, Bündnisse / Freundschaften mit anderen Sultanen / Sheiks / … knüpfen, Herausfinden / Bestätigen von Tar Honaks Unverwundbarkeit, Entkommen vor Al’Anfanischen Attentätern und Kopfgeldjägern, Finden einer nachhaltigen Strategie den Vormarsch des Feindes aufzuhalten / zurückzuschlagen, …

Anschließend mache ich das ganze mit Personen, die eine Rolle spielen sollen, und zwar durch die Bank mit allen NSCs (oder ehemaligen SCs), die bei meinen Spieler*innen auf Interesse stoßen (könnten). Die Bandbreite reicht also vom geheimnisumwitterten Tar Honak, über den feindlichen Hauptmann und sein weiches Herz, den latent mit den SCs konkurrierenden Agha der Gelbherzen, bis zum hilfreichen Töpfer der Unauer Unterstadt – entscheidend für die Einsortierung ist hier für mich vor allem, welche Relevanz der NSC bei meinen Spieler*innen hat.

Man kann das visualisieren – muss es aber nicht machen. Ich habe es mir immer nur gedanklich sortiert, bzw. als kurze Notiz bei den entsprechenden Personen/Orten etc.

Das Ganze ist natürlich nicht statisch, sondern einem ständigen Wandel unterzogen. Mit Fortschreiten der Ereignisse und dem darauf folgenden Fokus der Spieler*innen schieben sich diese Orte / Personen / Plothooks / -fäden / Hebel permanent hin und her zwischen den Kreisteilen.

Und was ganz wichtig ist: Ich mag zwar zu Anfang festlegen, was in welchem Kreisring zum liegen kommt – im späteren Verlauf der Kampagne, sind es vor allem meine Spieler*innen, die durch ihre Ingame-Entscheidungen und Outgame-Wünsche bestimmen, was welche Rolle spielt und wo landet!

Diese Systematik lebt logischerweise davon, dass ich regelmäßig in der Spielvorbereitung einen Check-up mache: Was davon könnte ich bei der kommenden Spielsitzung aufblitzen lassen? Was entwickelt sich weiter, während es in die entfernteren Kreisringe wandert, und vor allem in welcher Weise?

Zum Beispiel könnte ich mir die Frage stellen, was in Sachen Erbschaftsgerangel um den Kalifentitel passiert, während die Aufmerksamkeit der SCs darauf liegt, zunächst den Feind zu beschäftigen. So könnte ein NSC in der langfristigen Ebene von einer konkurrierenden Mächtegruppe in Position gebracht werden – was es später umso schwieriger macht, dass die SCs „ihren“ Kandidaten durchbringen.

Oder: Was passiert an der Front, während die SCs sich darauf konzentrieren, herauszufinden, in welchem mysteriösen Verhältnis das Bettelmädchen Milhibeth zum Schicksal des Patriarchen steht? Die SCs machen sich auf den Weg, um das Kind zu finden? Gut, dann schaue ich mir an, welcher wichtige NSC auf ihrer Seite mit dem Leben bezahlt, weil sie nicht da sind, um ihn zu retten.

Du siehst, selbstverständlich habe ich mir damit eine Menge (vielleicht auch oft unnötige) Arbeit gemacht. Es hätte sicherlich auch ohne gehen können. Allerdings hat es meinen Spieler*innen und mir ein maßgeschneidertes Spielerlebnis in einer Intensität verschafft, die ich zuvor und danach selten erlebt habe.

Diese Spieltiefe erforderte natürlich eine Menge Details, denn alle diese Aspekte, die ich einsortieren will, müssen schließlich erst einmal existieren. Ein Schlüssel für mich war damals ein sehr großer und ausdifferenzierter Cast.

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