Karneval der RSP-Blogs – Riesen

Der diesmonatige Karneval der Rollenspielblogs wird von Merimac gehostet und handelt vom Thema Riesen. Nachdem ich nun für Höfe und Vorstandsbüros eine „riesige“ Pause (muhaha) gemacht habe, Grund genug, einige Gedanken zu Riesen und ihrer Verwendung im Rollenspiel zu Papier zu bringen. Anders als z.B. dnalor in seinem Beitrag, habe ich mich übrigens dazu entschieden, diese Gedanken zunächst nur für die „klassischen“ Riesen zu sammeln, d.h. diejenigen, deren Größe die eines Menschen bei weitem übersteigt (nicht wie bei einem Troll oder Oger), dennoch aber genug menschlichen Attribute aufweist, um im weitesten Sinne als „menschlich“ zu gelten.

Warum Riesen?

Zunächst einmal sollte man sich fragen, warum es ausgerechnet ein Riese sein muss. Tut es nicht ein Drache auch? Oder ein anderes Monster?

Jein. Vielleicht geht es noch anderen so, für mich zumindest trägt alleine das Wort „Riese“ noch einen Hauch von (Sense of) Wunder in sich. Drachen sind durch die Fantasyliteratur und diverse Rollenspielsettings halt einfach ausgenudelt, machen wir uns nichts vor. Riesen lassen etwas mitschwingen, das uns vielleicht an unsere Kindheit erinnert, sie haben ein Flair von Sagen und Märchen und das macht sie aus meiner Sicht noch etwas besonders.

Für mich ist völlig klar: Wer Riesen in seinem Setting / Abenteuer als tumbe Kampfmaschinen einsetzt, schöpft ihr Potential nicht aus.

Wofür Riesen?

  1. Riesen als Lokalkolorit
    Merimac hat es in seinem Eingangbeitrag bereits angeteasert: Es gibt wohl wenige Regionen, die nicht die ein oder andere landschaftliche Besonderheit auf das Wirken von Riesen zurückführen. Wir Rollenspieler*innen sind oft genug im Bereich Fantasy unterwegs – warum also nicht diese Riesen tatsächlich vorkommen lassen?
    Und damit meiner ich nicht, dass der/die Riese/Riesin wirklich auftauchen muss. Viel schöner ist die latente Spannung am Spieltisch, bei der die SCs zuerst Gerüchte über das Vorkommen von Riesen hören und später die Auswirkungen im Gelände feststellen. Wenn man eine Gruppe hat, die sich auf so etwas einlassen kann, dann kann man durch eine Sichtung in weiter Ferne oder nur die entsprechende, sich nähernde Geräuschkulisse ein spannendes Spielerlebnis schaffen, an das man sich noch lange erinnern mag.
  2. Riesen als Plotelement
    Viele Fantasysettings und antike Sagen verorten Riesen oder Riesinnen als Orakel. Wir könnten es als Ziel des Plots setzen, in das unwirtliche Gebirge von nebenan vorzudringen, um sich dort auf die Suche nach der orakelnden Riesin Ypsis’zuch’wa’robrmur zu machen: Wie soll man sie trotz ihrer Größe in all diesem Gelände bloß finden? Und wie verhindert man, dass sie einem direkt an Ort und Stelle den Kopf abbeißt? Welche Art von Geschenken könnte sie besänftigen? Und wenn man den Orakelspruch dann empfangen hat: Was zur Hölle sollen diese kryptischen Worte bloß bedeuten?
  3. Riesen als Auftraggeber
    Wenn man einmal einen etwas exotischeren Auftraggeber ins Spiel bringen will, kann man einen Riesen wählen. In solch einem Fall sollte aber allein der Auftragsinhalt seltsam anmuten, im besten Falle für einen gewöhnlichen Menschen völlig wertlos erscheinen. Oder was wäre, wenn der Riese Broabgrbom einfach nur seine Ruhe haben will und die SCs sollen gefälligst dafür sorgen, dass er sie bekommt?
    Die Belohnung, die einem solch ein Auftrag einbringt, könnte ebenfalls einmal aus der Reihe fallen: Vielleicht hat der Riese einen der SCs als Geisel einkassiert und dessen Gefährt*innen müssen nun dem Auftrag nachkommen, um ihn wieder frei zu bekommen. Oder aber der Riese beschenkt die SCs mit einem (zunächst scheinbar wertlosen) Artefakt nahezu kosmischen Alters, eröffnet ihnen ebenso altes Wissen oder zeigt ihnen einen ebensolchen, längst vergessenen, unzugänglichen Ort (was alles wieder Aufhänger für weitere Abenteuer sein könnte).
  4. Riesen als „Gegner“
    Na gut. Meinetwegen auch als Gegner. Vielleicht wenden sich die sprichwörtlichen Dörfler an die SCs, weil sie den Riesen besiegen oder vertreiben sollen (Ich fände ja den umgekehrten Fall viel charmanter). Im weiteren könnte sich der Grund herausstellen, aus dem der Riese das Dorf heimsucht: Sie haben versehentlich sein Vieh gejagt und getötet und jetzt ist er hungrig und muss sich seinen Ersatz irgendwo herholen. Oder das Dorf ist erst seit einhundert Jahren an dieser Stelle – blöderweise hat er dort vor zweihundert Jahren seine gestorbene Gefährtin begraben und will ihrer nun gedenken (was die Dörfler in ihrem Schrecken natürlich nicht verstanden haben). Im besten Fall will der Riese nur die Welt retten: Vor zweihundert Jahren hat er dort ein Böses besiegt, das in einem erneuten Ritual besänftigt werden muss, oder sich sogar nun wieder regt (was die panischen Dörfler erst Recht nicht begriffen haben).
  5. Riesen als Gegner
    Ok, ok, ok, ok. Für die wenigen Unverbesserlichen, die es auf einen harten Schlagabtausch („… und sonst nix, jawoll!“) mit einem Riesen abgesehen haben: Bitte nicht einfach nur als Kampfmaschine mit zwei-Weh-Fuffzich Schaden hinstellen. Ein Riese ist eine Naturgewalt und sollte als solche behandelt werden. Ein Kampf mit einer solchen sollte also aus meiner Sicht keinen Stein auf dem anderen lassen.
    Bäume knicken wie Strohhalme, werden ausgerissen, gegen SCs geschwungen und nach ihnen geworfen. Ein Riese kann in einen Fluss flüchten und hindurch waten, für den SCs eine Brücke oder ein Boot benötigen. Wenn ein Riese mit seiner Faust (oder besser einem ganzen Baum) zuhaut, spritzt Erdreich in alle Richtungen und metertiefe Dellen entstehen im Gras oder Waldboden. Ein Riese könnte SCs werfen, sodass diese gegen Bäume oder Felsen geschleudert werden. Und apropos Felsen: Findlinge, so hoch wie ein Haus, dürften ziemlich weh tun, wenn sie umgestürzt werden. Oder die „kleineren“ Brocken im Format eines Kalbs, die einem als SC links und rechts um die Ohren fliegen.
    Und warum nicht gleich den Kampf in einen Schauplatz verlegen, wo der Riese seine ganze zerstörerische Kraft entfalten kann? Eine Klamm oder Talsperre, ein Damm, aus dem der Riese in seiner Wut ganze Baumstämme reißt und damit ein gesamtes Tal bedroht? Der steile Grat eines Mittelgebirgsrückens, in dem Sandsteinpfeiler in die Höhe wachsen und turmhohe, jahrhundertealte Bäume zu beiden Seiten bis zum Horizont reichen?
    Und wer will, darf dann endlich, endlich sein Schwert+2 aus dem Gürtel zerren und damit herumfuchteln…

Ich persönlich bin in siebenundzwanzig Jahren Rollenspiel erst ein oder zwei Malen einem Riesen begegnet und jedes Mal hat es einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Wie habt ihr sie bisher erlebt? Teilt ihr meine Meinungen? Ich wäre gespannt auf entsprechende Anregungen.

4 Antworten auf „Karneval der RSP-Blogs – Riesen“

  1. Sehr interssanter Artikel. Zum 5. Punkt: ich habe zu Weihnachten von meiner Herzdame das DCC-Regelwerk bekommen. Da ist eine Tabelle drin mit Schäden drin, die ein kritischer Erfolg des Riesen bei einer Attache anrichtet. Meine alieblinge sind in den Boden Rammen und der Schla aufm Kopf, der die Wirbelsäule stauch und die Körpergröße dauerhaft reduziert. Zu 1: Es gibt da in Japan den Yokai Daidarabotchi. Ein riesiger, schwarzer Gigant, der unter anderem für die Entstehung des Fuji verantwortlich sein sollen.

    1. Danke für den Komentar!
      zu 5) Dein DCC-Beispiel ist insofern schön, dass es zwar im im leicht humorigen Flair seines eigenen Systems bleibt, aber die Spezialität des Riesen dennoch berücksichtigt. Es muss nicht immer bierernst und tiefenpsychologisch angsteinflößend sein – aber spezifisch und abwechslungsreich. Und das ist hier eindeutig gelungen.
      zu 1) Genau solche Beispiele meinte ich. Allein anhand der Dimensionen, die solche landschaftlichen Veränderungen aufweisen, bekommt man die Spieler*innen in den richtigen Mindset. Im besten Falle löst man als SC nie richtig auf, ob es nun die Wahrheit oder eine Verklärung ist. Das vage Gefühl, das bleibt, dass es ja so gewesen sein KÖNNTE, ist viel tragfähiger für einen Spielabend / eine Kampagne / ein Setting.

  2. Gelungene Liste, Riesen nur als Gegner/Monster wäre in der Tat etwas kurzgegriffen. Ich erinnere mich noch an eine DnD classic-Session, wo zwei Riesenartige auftauchten und wir Erststufler uns angstvoll versteckt haben. Bei Pathfinder rund um Falkengrund gab es auch bemerkenswerte Riesenbegegnungen, im ersten Modul ein verkarteter Riese, der seinen Ehering sucht, in einem späteren Modul dann seine Frau, die den Riesen sucht …

    1. Danke für die Blumen!
      Eine Ergänzung noch zu dem Beispiel mit dem Ehering: Einserseits ist es schön, weil es zeigt, dass die beiden Riesen mehr sind als tumbe Kreaturen. Andererseits lässt mich etwas so menschliches wie ein Ehering nicht dieses spezielle „Riesenartige“, Fremde, Ungewohnte empfinden, das ich als Spieler gerne hätte. Ist vielleicht auch zu einem gewissen Grad persönlicher Geschmack, aber wenn ich einem Riesen begegne, will ich zumindest so etwas wie eine kulturelle Irritation (wenn nicht gar einen Schock) erleben.
      Was meine ich damit: Wenn er seinen Ehering sucht, dann sollte sich hinter dem Begriff nicht das verstecken, das man als Spieler*in erwartet. Vielleicht ist der „Ehering“ in Wahrheit ein Durchbruch in einem Fels, den er einst mit seiner Gefährtin in das Gestein getrieben hat (und der nun blöderweise nach nur dreihundert Jahren von dornigem Gestrüpp völlig überwuchert / erodiert ist) oder ein Ring aus Eichen, die die beiden gemeinsam gepflanzt haben (und der nun ebenso blöderweise von einem Tannenwald verschlungen wurde)…

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