Karneval der RSP-Blogs – Überleben [Abschlussartikel]

Ich startete mit der Fragestellung in diesen Karneval, ob der ebendieser selbst um sein Überleben kämpft – die Antwort darauf liegt wohl im Auge des Betrachters. Ich tendiere zu einem vorsichtigen „Nein“, denn viele interessante Beiträge haben mich eines besseren belehrt.

(Ob ein Blog – in diesem Beispiel mein eigener – im Angesicht zu vieler kreativer Baustellen erfolgreich um sein Überleben kämpft, würde ich mit einem Blick auf meine Artikelfrequenz der letzten beiden Monate eher kritischer beantworten…)

Greifenklaue bescherte uns mit einer ganzen Reihe von Beiträgen: Zum einen bespricht er die besten Tode aus 100 Folgen GKpodcast, andererseits zeigt er uns, dass die Diskussionen rund um das Thema „Sterben der SCs“ im Rollenspiel unerschöpflich sind und immer wieder aus unterschiedlichsten Blickwinkeln geführt werden können, da der Umgang mit dem Thema größtenteils Geschmackssache ist.

Zudem erläutert er, wie man Slayerpunkte bei Dungeonslayers effektiv und defensiv benutzt. Auch wenn ich das System selbst nicht spiele, so glaube ich doch, dass er damit einige Wege aufzeigt, wie man das Überleben seines SC wahrscheinlicher machen kann – wenn man denn will.

Auch Dnalor beglückt uns mit mehr als einem Beitrag: Am Beispiel des DSA4.1 Universums für Myranor stellt er uns vor, wie ein Fortleben von Held*innen als Geister funktionieren könnte. Zwar – wie er treffend feststellt – an dieser Stelle im Regelwerk nicht gänzlich ausgearbeitet, aber sicherlich ein guter Ansatz für weitere eigene Ideen und Hausregelungen.

Im weiteren rezensiert er mit dem seiner Meinung nach sehr lohnenden Purpurplaneten eine Box für Dungeon Crawl Classics – ein System, das für seine Trichter und serienweise SC-Tode bekannt und gefürchtet ist.

Alhazard stellt in ihrem Blog ihre eigene Sichtweise auf den Umgang mit der Sterblichkeit von SCs dar und zeigt einmal mehr auf, wie eng Spielspaß und der Nervenkitzel eines drohenden Verlusts miteinander verkoppelt sein können. Hierbei schneidet sie auch den interessanten Aspekt an, dass Missverständnisse zu wahrscheinlich sehr vielen solcher SC-Tode führen – ein Problem des gemeinsamen Vorstellungsraums (sozusagen ein Lieblingsthema von mir persönlich).

Zu guter Letzt entwickelt Merimac gar ein eigenes Erzähl-Spiel „von zweifelhafter Moral“, das die Spieler*innen in die Rolle von Gelehrten schlüpfen lässt, die auf der Suche nach dem ewigen Leben sind. Eine meiner Meinung nach gelungene Pointe ist die Verknüpfung mit der Idee, diese erstrebte Ewigkeit unter Umständen je Spielverlauf in bitterer Einsamkeit verbringen zu müssen. Definitiv ein Spiel, das ich auf die „Spontane-One-Shot-Liste“ meiner Gruppe setzen werde.

Karneval der RSP-Blogs – Überleben [Mai/Juni 2021]

Kämpft der Karneval der Rollenspielblogs um sein Überleben? Zeigt mir in diesem Karneval für die Monate Mai und Juni, dass das kein kurzer und aussichtsloser Kampf ist.

Auch im Rollenspiel ist das Thema Überleben ein wichtiges und sehr vielseitiges.

Zum Beispiel die Frage, ob Spielercharaktere um jeden Preis überleben sollten, ist wahrscheinlich so alt wie das Rollenspiel selbst. Wie seht ihr das und welche Gründe würdet ihr für die eine oder andere Position finden? Gibt es auch Alternativen zum bedingungslosen Extrem auf der einen oder anderen Seite?

Wie hängt das eigentlich mit dem ausgesuchten Spielsystem zusammen? Gibt es Regelmechaniken und Systeme, in denen die Charaktere von Haus aus besonders robust oder zerbrechlich sind? Seht ihr darin Vor- oder Nachteile? Habt ihr euer System gezielt danach ausgesucht? Hat das System einen Einfluss auf euer Spiel und darauf, wie kreativ und / oder waghalsig ihr Lösungsansätze im Spiel auswählt? War das schon immer ein Punkt, der euch an eurem derzeit bespielten System gestört hat?

Und wie ist das mit der Mühen Lohn für arme Spielcharaktere? Müssen es immer Gold, Ruhm und Titel sein? Womöglich gibt es dort draußen sehr gute Abenteuer und Szenarien, die außer dem bloßen Überleben keinen weiteren Preis bereithalten oder das Überleben zum zentralen Thema (denn Beispiele für solche Filme gibt es zuhauf) machen? Zeigt sie mir!

Ein extremes Beispiel, das Überleben von SCs zu thematisieren, ist der Adventure-Funnel, der meist nur einen Bruchteil der SCs die Ereignisse überstehen lässt. System Matters hat dazu einige Podcasts veröffentlicht. Wie sind eure Erfahrungen damit?

Das alles ist natürlich meistens nur noch von Belang, wenn es einem gelingt, die eigene Spielgruppe am Leben zu erhalten. Welche Erfahrungen habt ihr gemacht, die euch über lange Kampagnen oder aber lange Durststrecken (eine davon erleben wir in der Corona-Krise derzeit) getragen haben? Oder gibt es in eurem Spielerleben eine Gruppe, die euch lange Spaß gemacht hat, sich jetzt aber aufgelöst hat und ihr wollt berichten, warum und was ihr beim nächsten Mal gerne besser machen würdet?

Zuletzt wäre dann noch die Frage: Wie überlebe ich als Spieler*in den kommenden Spielabend? 😉 Welche Rituale ermöglichen euch das Überleben? Was gehört für euch einfach dazu (und sei es auch noch so kurios)? Welche verrückten Angewohnheiten überleben in eurer Gruppe entgegen jeglicher Absichten?

Ihr könnt auf eure Artikel entweder in diesem Thread oder in den Kommentaren meines Eröffnungsbeitrags hinweisen. Nach Ablauf der zwei Monate werde ich auf meinem Blog versuchen, eine Zusammenfassung über alle Beiträge zu erstellen.

Ich freue mich auf zahlreiche Beiträge, damit wir am Ende der zwei Monate nicht feststellen müssen, dass der Karneval nicht überlebt hat 😉

Update 02.05.2021:

Nach Merimacs Kommentar noch mit der Ergänzung, welche Erfahrungen ihr mit Rollenspielen gemacht habt, „deren Setting den harten Überlebenskampf zum Thema hat – aus dem Bauch heraus fallen mir da etwa Mutant Year Zero, All Flesh Must Be Eaten, oder auch kleinere Titel wie Bunnies and Burrows (um mal die tierische Perpektive anzunehmen) oder Escape from Tentacle City ein.“

Und als Ergänzung möchte ich noch hinzufügen: Es gibt viele Systeme dort draußen, einige halten sich ewig, andere kämpfen bereits nach kurzer Zeit um das nackte Überleben. Fallen euch Beispiele ein für Systeme, die rasch wieder in der Versenkung verschwunden sind und könnt ihr euch vorstellen, welche Gründe es dafür geben kann? Gibt es die ein oder andere völlig unterschätzte Perle darunter, die ihr uns in den kommenden zwei Monaten vorstellen wollt?

Karneval der RSP-Blogs – Nichts vorbereitet?!

Der Karneval der Rollenspielblogs wird diesen Monat dankenswerterweise von Merimac organisiert und steht unter dem Thema „Nichts“.

Machen wir uns nichts vor. Die Zeiten, in denen wir nach der Schule oder dem Studium entspannt ganze Nachmittage mit dem Vorbereiten (und auch Vor-Erträumen) der nächsten zehnstündigen Rollenspielsession am Wochenende verbracht haben, sind bei den meisten von uns Rollenspieler*innen vorbei. Stattdessen schwitzen wir vierzig oder mehr Stunden die Woche im Job (manche gar in Schichtarbeit), pendeln am Wochenende, führen einen eigenen Haushalt. Viele von uns haben inzwischen Kinder, die es zu betreuen gilt, und wie sich die Corona-Situation auf unser aller freie Zeit auswirkt … aber lassen wir das lieber.

Wie schön, wenn es trotzdem ab und an möglich ist, sich mit seiner Spielgruppe zu treffen (derzeit meist virtuell, doch bald hoffentlich auch wieder physikalisch) und aus dem Alltag zu entkommen. Doch halt: Wer von uns Glücklichen ist denn dieses Mal Spielleitung? Äh … ja … grundsätzlich gerne aber … leider keine Zeit, etwas vorzubereiten. 🙁

Mal ehrlich: Wer von uns kennt das nicht? Andernfalls wäre mein uneingeschränkter Neid sicher. Die bessere Frage wäre aber meiner Meinung nach eher: Braucht es überhaupt eine stundenlange Vorbereitung? Oder gibt es nicht doch noch Alternativen dazu?

Das Netz und mache Rollenspielverlage sind voll von Onepager Abenteuern, die man mehr oder weniger spontan eine halbe Stunde vor dem eigentlichen Spielbeginn durchlesen und dann als Leitfaden verwenden können soll. Ich persönlich habe noch nie eines ausprobiert, wäre aber gespannt auf eure Erfahrungen.

Oder man geht noch einen Schritt weiter, und generiert am Beginn der Spielsitzung gleich die gesamte Spielwelt mit der Hilfe eines passenden Systems, z.B. Dungeon World. System Matters hat dazu ein paar schöne Podcast-Folgen veröffentlicht.
Besonders gut daran ist, dass man die Wünsche der Spieler*innen mit einbinden und sich auf diese Weise eine Welt passend zuschneiden kann.

Ja gut, werdet ihr sagen. Aber zu Dungeon World muss ich ja trotzdem einen (wen wundert’s beim Blick auf den Titel) Dungeon mitbringen, den ich vorbereiten muss. Und wessen Spielrunde auf den klassischen Dungeon Crawl nicht besonders abfährt? Vielleicht wollt ihr gleich versuchen, die Freiheitsgrade der Spieler*innen mit passenden Systemen zu erhöhen, z.B. mit FATE. Auf diese Weise können die SL und Spielergruppe gemeinsam den Plot während des Spiels erschaffen. So etwas funktioniert nicht? Unterschätzt nicht die Macht des Creative Constraint – wenn viele Köpfe gemeinsam rauchen, ergibt sich oft genug ein überraschend fruchtbares Wechselspiel, in dem der eine auf den anderen aufbaut.

Und wer diesen Schritt noch weiter gehen will, kann sich gleich an spielleiterlosen Systemen versuchen: z.B. Universalis. Achim PiHalbe hat vor Jahren dieses System in seinem Podcast vorgestellt, das unserer Gruppe einige sehr unterhaltsame Spielsitzungen beschert hat. Ich selbst war überrascht davon, wie sehr sich Ereignisse in einem solchen Spiel überschlagen können und wie befriedigend ein solches (mal anderes) Spielerlebnis ist.

Und wer sich doch nicht ganz von etwaiger Vorbereitung trennen möchte, kann der Mode heutiger Unternehmensberater folgen und einen Impulsvortrag halten, d.h. eine Impulsgeschichte vorlesen, die der Spielgruppe anschließend als Creative Constraint dient und mit jeglichem System (Dungeon World / FATE / Universalis / …) weiterentwickelt und bespielt werden kann. Ich zum Beispiel habe dazu eine Kurzgeschichte genutzt, die ich lange vorher geschrieben hatte – ihr könnt natürlich auch eine beliebige Kurzgeschichte aus dem Netz oder eurem Bücherregal verwenden.

Wie haltet ihr es, wenn wenig oder keine Zeit zum Vorbereiten ist? Schreibt es mir in die Kommentare.

Karneval der RSP-Blogs: Von Nichts kommt Nichts

März 2021 – die große Lethargie? Weit gefehlt, denn endlich bringt der RSP-Karneval eines meiner liebsten Themen auf die Agenda: Kreativitätsmethodik. Danke, Merimac! 😉

Eine der wichtigsten Lektionen, die ich beim Abenteuergestalten (und damit übrigens genauso beim Kurzgeschichten, Novellen, Romane schreiben) gelernt habe, lautet: „Von Nichts kommt Nichts“. Warum? Das liegt offenbar daran, wie unser Gehirn funktioniert. Neues wird nicht einfach so heureka-mäßig aus dem Nichts geboren, sondern entsteht immer durch die Verknüpfung von Synapsen, d.h. die Verknüpfung von Informationen. Es findet immer eine Re-Kombination und Re-Modulierung von Bausteinen statt, die dann als Ergebnis etwas Neues, etwas Anderes, ergeben.

Achim Pi-Halbe hat das vor Jahren einmal sehr schön in einem seiner Podcasts erklärt: Creative Constraint.

Im Grunde ist eine der gängigsten Methoden, wie die meisten von uns auf Abenteuerideen kommen, diese: Man geht so seines Weges und plötzlich springt einen unverhofft die sogenannte Grundidee für ein neues Abenteuer an, weil man von einer Quelle (Buch, Film, Bild, Realität, …) inspiriert worden ist. Das kann alles mögliche sein: Ein NSC, eine coole, cineastische Szene, ein Mysterium, ein origineller Criminal Case, ein bombastischer Schauplatz.

Bäm! Der Grundstein ist gelegt. Und jetzt nur noch… äh… ja, also… Denn das ist bei den meisten das Problem. Der Enthusiast in einem wird plötzlich kleinlaut, die Kreativität versiegt, es ist Schluss mit lustig. Man kommt nicht weiter (oder noch hundsgemeiner: gar nicht erst hin, zu der tollen Szene, die man sich erträumt hat).

In solch einem Fall hilft es mir persönlich oft, einen Schritt zurückzutreten und weitere Inspirationsquellen und verschiedene Blickwinkel zu suchen, die mir ermöglichen, weitere Bausteine zu gebären, die ich an diese Grundidee anbauen kann. Creative Constraint.

Ich persönlich brauche dazu nicht mehr als ein Blatt Papier und einen Bleistift. Klassisches Mindmapping. Personen, Orte, Dinge, werden miteinander logisch vernküpft, und potentielle Verbindungen, Konflikte, Sinnzusammenhänge daraus abgeleitet. Ist eine mögliche Methode, die für mich funktioniert – jede(r) Spielleiter*in muss hier den eigenen Weg finden.

Und wo finde ich weitere Constraints?

Das ist eine durchaus berechtigte Frage. Ich versuche immer, verschiedenartige zu finden, um die Situation aus verschiedenen Blickwinkeln sehen zu können. D.h. ich beschränke mich abwechselnd ganz bewusst ausschließlich auf einen der folgenden:

  • Setting, Schauplätze
  • Personen, Motive, Beziehungen dazwischen
  • Grundplots, sowie Variationen und Twists

Ein recht klassicher Dreiklang aus Ort/Zeit, Person und Handlung, wie man es ähnlich in diversen Quellen zu Dramen- und Romantheorie finden kann (dort wird z. B. eine Szene als Einheit von Ort, Zeit und Personen gefasst). Man kann das in seinem Mindmap unterschiedlich grafisch darstellen, muss aber nicht.

Sehen wir uns zunächst also einmal Settings anhand eines Beispiels an. Nehmen wir an, dass ich als Grundidee hatte, meine Spieler*innen in ein märchenhaftes Feen-Setting zu entführen, zu dem mich die derzeitige Lieblingsfernsehserie meiner Kinder inspiriert hat (schon gut, schon gut, ihr fairy-hater, dieses Beispiel habe ich mit Absicht so gewählt, weil es sehr spezifisch und klischeehaft ist und ich an dieser extremen Ausprägung klarer zeigen kann, was ich meine. Für alle, deren Kinder auch in der Feen-Phase sind: Wartet ab, bis sie in der Vampirphase ankommen und blickt dankbar zurück ;-P).

Ab jetzt gilt es, Setting-Constraints zu finden.

Ein Klassiker ist Wikipedia, meinetwegen auch die Wiki zu einem Regelsystem oder einem RPG-Setting, wenn man sich mit seinem Plot darin bewegen will und diesen Luxus hat. Viele dieser Wikis besitzen eine Zufallsfunktion, die ich einige Mal nutzen kann, bis ich jeweils auf Orte, Schauplätze etc. gelange. Wichtig ist, sich hier nicht gleich zu Beginn zu beschränken, sondern zunächst eher zu viele, als zu wenige Constraints zu finden. Es gibt keine falschen Ideenquellen, nur diejenigen, die im Augenblick von deinem Gehirn re-kombiniert werden können und jene, die ungenutzt liegenbleiben.

Zudem nutze ich gerne Büchereien 😉 – was sich in der Nach-Corona-Zeit hoffentlich bald wieder etwas besser umsetzen lässt. Denn dort kann ich Bildbände, Sachbücher, Zeitschriften finden, die großartige, inspirierende Fotos enthalten.

Meine Beispielsuche lieferte:

  • Endlichhofen, eine Ortsgemeinde im Taunus
  • Pulsphasenmodulation, eine Möglichkeit zur Nachrichtenübertragung
  • (1163) Saga, einen Asteroid
  • James Mellaart, einen britischen Prähistoriker
  • Crystal Palace, einen englischen Fußballverein
  • Posta, eine italienische Gemeinde, die im erdbebengefährdeten Teil der Abruzzen liegt
  • Helmut J. Psotta, einen deutschen Aktionskünstler und Kunstpädagogen
  • Philcoxia minensis, ein brasilianisches Wegerichgewächs, von dem man recht kürzlich erkannte, dass es fleischfressend ist
  • Carlo Pavesi, einen italienischen Fechter und Olympiasieger
  • Saurer DM, einen zweiachsigen allradgetriebenen Lastwagen

Vielleicht hast du gemerkt, dass dir beim Lesen der Liste bei einigen Punkten sofort eine Assoziation in den Kopf geschossen ist, bei anderen nicht. Das ist genau das, was wir uns wünschen. Welche das sind, das hängt davon ab, was du in deinem Leben bis zu diesem Moment erlebt und gesehen hast, was also an Informationen in deinem Gehirn irgendwo bereits vorhanden ist.

In meinem Fall inspirierten mich folgende:

  • Endlichhofen und Posta: Mein Abenteuer soll in der Gegend eines Dorfs am Rande eines Gebirges spielen, das immer wieder von Erdbeben erschüttert wird. Diese Erdbeben legen regelmäßig uralte Stätten und Artefakte frei, die Mysterien in sich tragen
  • Pulsphasenmodulation: In meinem Abenteuer soll eine abgefahrene Nachrichtenübertragungsweise eine Rolle im Plot spielen. Da es sich um ein Feensetting handelt, könnte diese Nachrichtenübertragung von einer bestimmten (vielleicht fleischfressenden?) Pflanzensorte übernommen werden
  • James Mellaart und Helmut J. Psotta: In meinem Abenteuer soll es einen Kunsthistoriker geben, der Ausgrabungen in dem Gebirge unternimmt, wo von Erdbeben freigelegte Ruinen untersucht werden

Wie man erkennt, habe ich im Vorbeigehen bereits eine erste Verknüpfung zwischen den gewählten Constraints geschaffen – je mehr Constraints man verknüpft, desto tragfähiger wird die Geschichte.

Der Fußballverein, der Fechter, der Asteroid und der Lastwagen ließen mich übrigens bisher kalt – kein Problem, lasse ich sie also einfach erst einmal liegen, vielleicht kitzeln sie mich im späteren Verlauf noch. Und wenn sie bis zum Schluss ungenutzt liegenbleiben, ist das auch ok.

Kommen wir nun zu Personen-Constraints.

In der Fernsehserie meiner Töchter geht es um eine Dreiecks-Beziehung, also will ich genau das ebenfalls in meinem Abenteuer eine Rolle spielen lassen.

  • Den Ausgrabungsleiter habe ich bereits. Ein Fantasy Name Generator liefert mir den Namen Bogwynn Faenhard. Brauche ich also nur noch die anderen beiden Spitzen des Dreiecks.
  • Wie wäre es mit einer Tochter? Melissa Faenhard, ihres Zeichens Botanik-Ingenieurin, die sich mit Nachrichtenübertragung mittels gezüchteten Riesen-Wegerich-Pflanzen beschäftigt, liebt ihren Vater abgöttisch, ist aber immer wieder eifersüchtig auf ihre neue Stiefmutter.
  • Diese neue Stiefmutter ist Abyness Noewen, und ihres Zeichens ebenfalls Archeologin, wo sie auch Bogwynn kennengelernt hat. Die eifersüchtige Stieftochter Melissa vermutet selbstredend, dass Abyness sich nur an ihren Vater herangemacht hat, um mit auf diese Ausgrabung zu dürfen – vielleicht verbirgt die Stiefmutter sogar ein dunkles Geheimnis um ihre eigene Existenz und gibt vor zu sein, was sie gar nicht ist?

Auch hier sieht man wieder, dass ich versucht habe, Verknüpfungen zwischen den Personen und den Setting Constraints zu schaffen – das wird im weiteren immer und immer wieder mein wichtigstes Ziel werden. Ich will ja aus Nichts Etwas erschaffen, und jedes Etwas, das mir als Baustein auf dieser Reise begegnet, hilft mir, ein neues Etwas als weiteren Baustein oben draufzusetzen. Oder wenn man in dem Bild mit den Verknüpfungen bleiben will: Das Ziel ist ein dichtes Spinnennetz, und je mehr meiner klebrigen Fäden ich verknüpfe, desto einfacher wird es, weitere Fäden an existierende zu knüpfen und desto dichter wird das Netz.

Würde ich eine Kurzgeschichte schreiben, wäre ich mit diesen Personen erst einmal notdürftig versorgt und würde im Laufe des weiteren Brainstormings weitere Nebenfiguren ergänzen, wenn ich sie im Plot benötige. Wir erschaffen an dieser Stelle aber keine Kurzgeschichte. Wir erstellen ein Rollenspielabenteuer. Die wichtigsten Personen fehlen also noch: meine SCs.

Kernfrage ist demnach: Wie bringe ich meine SCs ins Spiel?

Da ich in diesem Beispiel davon ausgehe, dass dieses Feen-Setting für meine Gruppe völlig neu ist, und es keine existierenden Charaktere gibt, rechne ich eher mit einer wild zusammengewürfelten Truppe aus verschiedenen Feenartigen, Biestingern, Tiermenschen, eventuell Koboldartigen usw. Deshalb entscheide ich mich für einen Klassiker, der die Klammer für mein Abenteuer bildet: Die SCs werden angeheuert, um die Botanikerin Melissa Faenhard in die unwirtlichen Berge zu begleiten, wo sie die abgebrochenen Nachrichtenübertragungen untersuchen soll. Klassischer Bodyguard-Plot, der von der Suspense lebt, wer oder was denn nun die Nachrichtenübertragungswege ge- bzw. zerstört hat – und wann dieses Etwas zuschlägt, harrharr.

Damit blieben zuletzt die Plot-Constraints:

Für Constraints bieten sich auch hier viele Möglichkeiten. Eine sehr, sehr nützliche verdanke ich Steffen von 3w20: Die große Liste der Rollenspielplots

Die einfachste Möglichkeit wäre nun, sich denjenigen Plot herauszusuchen, der zu den bisherigen Ergebnissen des Brainstormings passt. In unserem Fall wäre das vielleicht „Ein sicherer Hafen“, „Expedition“, „Geleitschutz“ (die SCs und die Botanikerin Melissa erforschen die unwirtliche Gegend und stoßen dabei auf das riesige Tier, das die Pflanzen zerstört hat, weshalb sie flüchten müssen), „Schatzsuche“, „Ruinen“ (die SCs und Melissa stoßen rein zufällig auf die Ausgrabungsstätte und helfen, das Mysterium der Vergangenheit zu heben / damit fertig zu werden).

Mein Ansatz (wer hätte es nach zwei Seiten Wall-of-Text nicht erraten? ;-)) ist immer, möglichst viele verschiedene Strömungen von Plotmöglichkeiten miteinander zu verknüpfen, die mein Abenteuer nicht eindimensional werden lassen. Dabei kann man gerne auch per Zufall eine oder mehrere wählen, die auf den ersten Blick nicht zu passen scheinen.

Wie wäre es zum Beispiel mit:

  • „Büchse der Pandora“: Das Tier ist durch Ausgrabungen entfesselt worden und Teil des Mysteriums. Die böse Stiefmutter (relax, fairy-haters) Abyness hatte es von Anfang darauf abgesehen, es zu erwecken, um die Feenkönigin (ihre geheime Schwester) zu stürzen.
  • „Gestrandet“: Bei der Flucht stoßen die SCs und Melissa auf die Ausgrabungsstätte. Dort eingesperrt (draußen lauert das Tier, kann aber nicht hinein, weil das Mysterium es zurückhält) muss man sich mit den Spannungen der Dreiecksbeziehung auseinandersetzen. Wie soll man sich dabei darauf konzentrieren, einen Hilferuf abzusetzen?
  • „Safari“: Eine konkurrierende Gruppe will das Tier fangen und die SCs und Melissa müssen entscheiden, ob sie das verhindern wollen. Und wenn ja: wie lockt man ein Tier, das einen töten kann, von seinen Jägern weg?
  • „Unruhestifter“: Es ist gar kein Tier, sondern einige Unruhestifter, die die Nachrichtenwege gestört haben. Warum nur? Vielleicht wollten sie nur die Kommunikation mit der Ausgrabungsstätte blockieren, um dort selbst ihre Agenda zu verfolgen?

In diesem Stadium habe ich also eine ganze Menge möglicher Versatzstücke, die ich nur noch zusammensetzen muss, in der Hoffnung, einige interessante und/oder überraschende Plotturns oder Plottwists für meine Spieler*innen zu finden.

Ich setze das ganze für mich einmal beispielhaft zu einem groben Fahrplan (mit einer recht geringen, nicht vollständig ausgereizten Komplexität, aber es geht ja um’s Prinzip) zusammen:

  1. Exposition. Die SCs werden von Melissa angeheuert. Man bricht ins Gebirge auf. Zeit für Einführung der märchen- und zauberhaften Landschaft und Andeutungen über Melissas Familiengeschichte.
  2. Suspense. Erste Funde der zerstörten Pflanzen. Langsamer Aufbau der Spannungskurve, erste nächtliche Ruhestörungen, evtl. ein unvollständiger Blick auf das Tier.
  3. Eskalation. Ein schwer verletzter SC, entweder auf der Flucht vor oder beim Kampf mit dem Tier.
  4. Etappenziel. Ankunft im „Sicheren Hafen“, den das Tier aus unerfindlichem Grund nicht betreten kann. Kennenlernen von Bogwynn und Abyness.
  5. Eskalation. Eifersuchtsdrama Melissa und Abyness. Die SCs dürfen beginnen, einen Verdacht gegenüber der bösen Stiefmutter zu hegen, da diese sich zunehmend verdächtig verhält.
  6. Zuspitzung „Sicherer Hafen“. Arbeiter von der Ausgrabungsstätte verschwinden. Nahrung wird gestohlen und deshalb knapp. SCs werden durch den zunehmenden Druck an allen Fronten zum Handeln gezwungen.
  7. Auflösung. Es gelingt (mit Bogwynns Hilfe?) das Mysterium zu lüften, aufzuklären, ob und welche Rolle Abyness darin spielt und wie man das Tier besänftigen / aufhalten kann.

Von diesem Punkt des Kreativitätsprozesses an kann man sich voll auf das Lokalkolorit stürzen, Gesichter und Charakterzüge für seine NSCs finden, oder damit beschäftigen, wie man die Regelmechanik an wichtigen Stellen am besten zum Glänzen bringt. Aber das ist eine andere Geschichte für einen anderen Tag…

Bleibt mir die Feststellung, dass es mir hoffentlich gelungen ist, quasi aus dem Nichts Etwas zu schaffen, indem ich dem initialen Nichts ein initiales Etwas hinzugefügt habe, was streng genommen eigentlich eine Themenverfehlung im Sinne von Merimacs Aufgabenstellung ist. Aber das soll Jede(r) von euch da draußen selbst bewerten. Denn von Nichts kommt nun einmal Nichts. 😉

PS: Wer mag, kann versuchen, zurückzugehen und herauszufinden, was mit dieser Geschichte passiert, wenn man sich stattdessen auf die Constraints Asteroid, Fussballverein, Fechtolympiasieger und Lastwagen stürzt. 😉 Ich wäre gespannt.

Karneval der RSP-Blogs / 100 Places to play – Xesvogs Fußabdruck

In einer neuen Reihe möchte ich das bekannte Motto „100 places to see“ aufgreifen und für das Rollenspiel umsetzen. Es geht in dieser Reihe darum, sich von realen oder surrealen Orten inspirieren zu lassen und Futter für die ein oder andere Rollenspielidee, sei es Setting oder Szenario, zu generieren – „100 places to play“ eben. Wer Interesse hat, diese Ideen für seine Gruppe zu nutzen, gerne immerzu.

Anfangen möchte ich diese Reihe mit Xesvogs Fußabdruck (wie passend, dass der Karneval der Rollenspielblogs sich diesen Monat um das Thema Riesen dreht ;-))

Xesvog ist ein Riese, der in dieser Landschaft seinen Fußabdruck hinterlassen hat – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn die Senke, die diesen Namen trägt, ist etwa einen Kilometer lang und bis zu vierhundert Meter breit. An der tiefsten Stelle der Steilwand steht man immerhin fünfzig Meter unterhalb des Niveaus der Ebene, in der sich der Fußabdruck befindet, und wie sollte es anders sein: Er hat selbstverständlich exakt die Form, die man von einem Riesenfuß erwartet. Fersen, Zehen, Mittelfuß – kein Wunsch bleibt offen.

Schon früh spürten die Menschen, dass dieser Ort etwas Besonderes ist: Der Tempel, der sich an der Ferse (dort, wo sein gesegneter Fuß zuerst unsere Erde berührt hat, wie die Priester nicht müde werden zu betonen!) in der Felswand befindet, ist immerhin bereits einige hundert Jahre alt. Die Priesterschaft ist verschroben und scheu. Man munkelt, dass sie hinter ihren dicken Mauern nach einem Weg suchen, Xesvog persönlich anzurufen und zurück in unsere Welt zu holen. Und tatsächlich sieht man des nächstens flackerndes Licht durch die schießschartenartigen Fenster leuchten und hört unheimlichen Singsang in einer unbekannten Sprache hinaus auf den Hohlweg hallen.

Allein, es hilft nichts: Jeder, der die Senke betreten oder verlassen möchte, muss hier vorbei, denn es gibt schlichtweg keinen anderen Weg, als über die Treppe, die die ersten Priester vor Jahrhunderten in den Fels getrieben haben. Und allen Besuchern – denn davon gibt es zahlreiche – knöpfen die Priester einen Wegzoll ab, der sich gewaschen hat. Viele nehmen den Preis dennoch auf sich, um im Staub nach den verborgenen Rohdiamanten zu suchen, die sich in der Senke finden lassen. Inzwischen gibt es am Ufer des Wasserlochs im Zentrum des Fußabdrucks bereits eine lose Ansammlung windschiefer Hütten und Zelte, in der sich die Glücksritter und Schatzsucher tummeln. Jeder, der sich hier ebenfalls versuchen möchte, sollte sich mit dieser illustren Gesellschaft gutstellen, denn der Rat der Fünf (die von sich selbst behaupten, die ersten fünf Edelsteinsucher gewesen zu sein, in Wahrheit aber schlicht grausam und rücksichtslos genug waren, um als letzte Fünf einen instabilen Burgfrieden zu schließen) wacht mit Argusaugen darüber, dass die Regeln eingehalten und bestehende Schürfrechte nicht verletzt werden.

Wäre da nicht die Gier des örtlichen Provinzherren, der sich anschickt, die Senke für sich zu beanspruchen und eine große fürstlichen Mine errichten zu lassen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis eine Hundertschaft seiner Soldaten aufkreuzt, um mit den Schatzsuchern aufzuräumen – und wehe, wenn unbedarfte Reisende zwischen die Fronten geraten.

Bis es so weit ist, hallt jedoch ausschließlich das Blöken verirrter Schafe von den Klippen, und wannimmer einer der Schäfer, die auf der kargen Ebene ihr nomadisches Leben führen, herbeieilt, um das entlaufene Vieh zurückzuholen, so schüttelt er nur stumm den Kopf über die Verrücktheit derjenigen, die sich in die verfluchte Senke hinabwagen. Reicht es denn nicht, dass die Gegend regelmäßig von Erdstößen erschüttert wird? So mancher beharrt nach solchen Nächten steif und fest, am Horizont einen hoch aufragenden Umriss ausgemacht zu haben, der über die Ebene stapft: Xesvogs Kinder, so munkelt man, die auf der Suche nach ihrem verlorenen Vater durch die Welt streifen.

Karneval der RSP-Blogs – Riesen

Der diesmonatige Karneval der Rollenspielblogs wird von Merimac gehostet und handelt vom Thema Riesen. Nachdem ich nun für Höfe und Vorstandsbüros eine „riesige“ Pause (muhaha) gemacht habe, Grund genug, einige Gedanken zu Riesen und ihrer Verwendung im Rollenspiel zu Papier zu bringen. Anders als z.B. dnalor in seinem Beitrag, habe ich mich übrigens dazu entschieden, diese Gedanken zunächst nur für die „klassischen“ Riesen zu sammeln, d.h. diejenigen, deren Größe die eines Menschen bei weitem übersteigt (nicht wie bei einem Troll oder Oger), dennoch aber genug menschlichen Attribute aufweist, um im weitesten Sinne als „menschlich“ zu gelten.

Warum Riesen?

Zunächst einmal sollte man sich fragen, warum es ausgerechnet ein Riese sein muss. Tut es nicht ein Drache auch? Oder ein anderes Monster?

Jein. Vielleicht geht es noch anderen so, für mich zumindest trägt alleine das Wort „Riese“ noch einen Hauch von (Sense of) Wunder in sich. Drachen sind durch die Fantasyliteratur und diverse Rollenspielsettings halt einfach ausgenudelt, machen wir uns nichts vor. Riesen lassen etwas mitschwingen, das uns vielleicht an unsere Kindheit erinnert, sie haben ein Flair von Sagen und Märchen und das macht sie aus meiner Sicht noch etwas besonders.

Für mich ist völlig klar: Wer Riesen in seinem Setting / Abenteuer als tumbe Kampfmaschinen einsetzt, schöpft ihr Potential nicht aus.

Wofür Riesen?

  1. Riesen als Lokalkolorit
    Merimac hat es in seinem Eingangbeitrag bereits angeteasert: Es gibt wohl wenige Regionen, die nicht die ein oder andere landschaftliche Besonderheit auf das Wirken von Riesen zurückführen. Wir Rollenspieler*innen sind oft genug im Bereich Fantasy unterwegs – warum also nicht diese Riesen tatsächlich vorkommen lassen?
    Und damit meiner ich nicht, dass der/die Riese/Riesin wirklich auftauchen muss. Viel schöner ist die latente Spannung am Spieltisch, bei der die SCs zuerst Gerüchte über das Vorkommen von Riesen hören und später die Auswirkungen im Gelände feststellen. Wenn man eine Gruppe hat, die sich auf so etwas einlassen kann, dann kann man durch eine Sichtung in weiter Ferne oder nur die entsprechende, sich nähernde Geräuschkulisse ein spannendes Spielerlebnis schaffen, an das man sich noch lange erinnern mag.
  2. Riesen als Plotelement
    Viele Fantasysettings und antike Sagen verorten Riesen oder Riesinnen als Orakel. Wir könnten es als Ziel des Plots setzen, in das unwirtliche Gebirge von nebenan vorzudringen, um sich dort auf die Suche nach der orakelnden Riesin Ypsis’zuch’wa’robrmur zu machen: Wie soll man sie trotz ihrer Größe in all diesem Gelände bloß finden? Und wie verhindert man, dass sie einem direkt an Ort und Stelle den Kopf abbeißt? Welche Art von Geschenken könnte sie besänftigen? Und wenn man den Orakelspruch dann empfangen hat: Was zur Hölle sollen diese kryptischen Worte bloß bedeuten?
  3. Riesen als Auftraggeber
    Wenn man einmal einen etwas exotischeren Auftraggeber ins Spiel bringen will, kann man einen Riesen wählen. In solch einem Fall sollte aber allein der Auftragsinhalt seltsam anmuten, im besten Falle für einen gewöhnlichen Menschen völlig wertlos erscheinen. Oder was wäre, wenn der Riese Broabgrbom einfach nur seine Ruhe haben will und die SCs sollen gefälligst dafür sorgen, dass er sie bekommt?
    Die Belohnung, die einem solch ein Auftrag einbringt, könnte ebenfalls einmal aus der Reihe fallen: Vielleicht hat der Riese einen der SCs als Geisel einkassiert und dessen Gefährt*innen müssen nun dem Auftrag nachkommen, um ihn wieder frei zu bekommen. Oder aber der Riese beschenkt die SCs mit einem (zunächst scheinbar wertlosen) Artefakt nahezu kosmischen Alters, eröffnet ihnen ebenso altes Wissen oder zeigt ihnen einen ebensolchen, längst vergessenen, unzugänglichen Ort (was alles wieder Aufhänger für weitere Abenteuer sein könnte).
  4. Riesen als „Gegner“
    Na gut. Meinetwegen auch als Gegner. Vielleicht wenden sich die sprichwörtlichen Dörfler an die SCs, weil sie den Riesen besiegen oder vertreiben sollen (Ich fände ja den umgekehrten Fall viel charmanter). Im weiteren könnte sich der Grund herausstellen, aus dem der Riese das Dorf heimsucht: Sie haben versehentlich sein Vieh gejagt und getötet und jetzt ist er hungrig und muss sich seinen Ersatz irgendwo herholen. Oder das Dorf ist erst seit einhundert Jahren an dieser Stelle – blöderweise hat er dort vor zweihundert Jahren seine gestorbene Gefährtin begraben und will ihrer nun gedenken (was die Dörfler in ihrem Schrecken natürlich nicht verstanden haben). Im besten Fall will der Riese nur die Welt retten: Vor zweihundert Jahren hat er dort ein Böses besiegt, das in einem erneuten Ritual besänftigt werden muss, oder sich sogar nun wieder regt (was die panischen Dörfler erst Recht nicht begriffen haben).
  5. Riesen als Gegner
    Ok, ok, ok, ok. Für die wenigen Unverbesserlichen, die es auf einen harten Schlagabtausch („… und sonst nix, jawoll!“) mit einem Riesen abgesehen haben: Bitte nicht einfach nur als Kampfmaschine mit zwei-Weh-Fuffzich Schaden hinstellen. Ein Riese ist eine Naturgewalt und sollte als solche behandelt werden. Ein Kampf mit einer solchen sollte also aus meiner Sicht keinen Stein auf dem anderen lassen.
    Bäume knicken wie Strohhalme, werden ausgerissen, gegen SCs geschwungen und nach ihnen geworfen. Ein Riese kann in einen Fluss flüchten und hindurch waten, für den SCs eine Brücke oder ein Boot benötigen. Wenn ein Riese mit seiner Faust (oder besser einem ganzen Baum) zuhaut, spritzt Erdreich in alle Richtungen und metertiefe Dellen entstehen im Gras oder Waldboden. Ein Riese könnte SCs werfen, sodass diese gegen Bäume oder Felsen geschleudert werden. Und apropos Felsen: Findlinge, so hoch wie ein Haus, dürften ziemlich weh tun, wenn sie umgestürzt werden. Oder die „kleineren“ Brocken im Format eines Kalbs, die einem als SC links und rechts um die Ohren fliegen.
    Und warum nicht gleich den Kampf in einen Schauplatz verlegen, wo der Riese seine ganze zerstörerische Kraft entfalten kann? Eine Klamm oder Talsperre, ein Damm, aus dem der Riese in seiner Wut ganze Baumstämme reißt und damit ein gesamtes Tal bedroht? Der steile Grat eines Mittelgebirgsrückens, in dem Sandsteinpfeiler in die Höhe wachsen und turmhohe, jahrhundertealte Bäume zu beiden Seiten bis zum Horizont reichen?
    Und wer will, darf dann endlich, endlich sein Schwert+2 aus dem Gürtel zerren und damit herumfuchteln…

Ich persönlich bin in siebenundzwanzig Jahren Rollenspiel erst ein oder zwei Malen einem Riesen begegnet und jedes Mal hat es einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Wie habt ihr sie bisher erlebt? Teilt ihr meine Meinungen? Ich wäre gespannt auf entsprechende Anregungen.

Karneval der RSP Blogs: Das Ende des Sommers (Online-Spiel)

(Der Karneval der RSP Blogs wird diesen Monat dankenswerterweise von Timberwere gehostet – mich hat er zu folgendem Beitrag inspiriert)

Oktober 2020. Der Sommer geht zu Ende, die Corona-Saison geht weiter. Steigende Fallzahlen lassen den nächsten Lockdown in greifbare Nähe rücken.

Spielen (im Freien!) wird nicht mehr so einfach werden.

Der April 2020 hat in meinem Rollenspielerleben nach über 25 Jahren tatsächlich noch eine Neuerung gebracht (auch wenn ich wahrscheinlich der letzte, rückständige Spieler auf diesem Planeten bin, der das vorher noch nie gemacht hatte ;-)): Online-Rollenspiel. Unser rettender Strohhalm! Der Heilige Gral des Spielens in Corona-Zeiten! Äh… jein.

Spielen ist immer noch toll. Es ist nur nicht mehr das gleiche. Viele Aspekte sind eine klare Bereicherung, andere doch gewöhnungsbedürftig. Ich habe in einer kleinen, privaten Abrechn… äh… Auflistung einige davon gesammelt, in denen sich Präsenz- und Onlinespiel für meine Gruppe und mich unterschieden haben:

Präsenz bedeutet Anwesenheit

Klingt wie eine Binse, ist für mich elementar wichtig. Erst als es mir genommen wurde, habe ich festgestellt, wie wichtig für mich die Gestik und Mimik meines Gegenübers ist. In meiner Gruppe kennen wir uns wirklich gut. Wir spielen seit Jahren, es gibt entsprechendes Vertrauen – wir sind ein eingespieltes Team. Trotzdem war es für uns schwierig, ein entsprechendes Charakterspiel durchzuführen. All die kleinen Gespräche zwischen zwei SCs, die mit einem kurzen Augenkontakt initiiert werden, und die nicht länger als 1-2 Minuten dauern, aber für unser Charakterspiel so wichtig sind. An „echte“ Konflikte zwischen zwei SCs haben wir nicht mal zu denken gewagt.
Mit unserer Anwesenheit versickert auch die Anwesenheit unseres Charakterspiels.

Das Jucken in den Würfelfingern

Wieder so ein unterschätzter Aspekt. Haptik spielt offenbar in unserem Kleinhirn eine größere Rolle, als ich angenommen hatte. Alleine das Gefühl (und Geräusch) der Würfel in meiner Hand löst bei mir Emotionen aus (ein Punkt, der mir von allen meinen Mitspielern in unseren Debriefings bestätigt wurde). Man denke nur an den Moment vor der alles entscheidenden Probe, wo man mit den Mitspieler*innen nochmals Blicke austauscht und die Würfel in der Hand klappern lässt. Wie leicht ist es, hier mit der Spannungsschraube zu spielen.
Klar, eine Würfel-App (wir nutzen z.B. Roll20) kann den spielmechanischen Teil super abdecken. Je nach Spielsystem kann das Konfigurieren des Pools, die Auswahl und Auswertung der Würfel aber anfangs länger dauern. Und die Emotionen beim Mausklick sind bei mir zumindest schwächer.

Scotty, beam me zu meinem Spielort

Üblicherweise begannen meine Spieltage damit, am Sonntagmorgen um halb Sieben aufzustehen, die Kinder ins Auto zu setzen und zu Oma und Opa zu fahren, um pünktlich um zehn Uhr am Spielort sein zu können. Das hat sich nun gegessen. Nach einem gechillten Frühstück verschwinde ich im Hobbykeller, aus dem ich ab und an auftauche, um nach dem Rechten zu sehen. Nebenbei mit Kopfhörern am Herd stehen und das Mittagessen kochen? In einer kurzen Spielpause die Mathehausaufgaben kontrollieren? Alles kein Problem. Manchmal gedanklich dadurch abgelenkt zu sein? Äh… was hast du gesagt?
Und überhaupt: Wann habe ich das letzte Mal für „nur“ zwei bis drei Stunden an einem Wochentag-Abend gespielt?

Technik, Spielfluss

Habe ich gesagt, dass die Anfahrtszeit entfällt? Richtig. Was nicht wegfällt, ist die Zeit, die alle benötigen, um die Technik in Gang zu bringen. Im besten Fall nutzen wir diese Zeit für den Vorabsmalltalk, im schlechtesten warten vier Spieler*innen darauf, dass die Technik den letzten von uns endlich durch die Tore lässt. Wie gut, dass die Netzwerkqualität danach immer gut genug ist, um n… al… zu… verst… …as die Mitspi… … … …ich geben, nicht wahr?
Beruhigend ist auch, dass niemand von uns einen Router hat, der einmal pro Tag keine Lust mehr hat und neu gebootet werden muss, oder sogar einen Provider, der sporadisch für fünfzehn Minuten aus unbekannten, nicht rekonstruierbaren Gründen das Internet kappt. Windows-Reboot anyone? Nein, das passiert zum Glück niemand. Niemand.

Showdown at its best

Eine Sache, die unser Spielerlebnis wirklich bereichert hat, waren die Möglichkeiten, die uns ein Online-Tool wie Roll20 geliefert hat. Klaro kann man auch am Spieltisch aus Tokens, der Chipsschüssel und der umgedrehten Frischkäsepackung eine taktische Umgebung bauen, aber wenn man einen talentierten Grafiker hat, der mit dem richtigen Auge für stimmungsvolle Karten eine passende auswählt (oder sogar selbst gestaltet), auf der man am Bildschirm seine Figuren bewegt, dann ist das nochmal eine andere Sache. Wer kann wann wie weit seine Figur bewegen? Kann ich diesen gezeichneten Felsen nutzen, um hinaufzuklettern? Können wir uns an diesem Mauerdurchbruch verbarrikadieren? Das bietet schon einige taktische Möglichkeiten, die ich für meinen Teil gerne auch öfter im Präsenzspiel nutzen würde.

Und jetzt?

Eines ist mir im Laufe der letzten Monate klar geworden: Präsenz- und Onlinespiel sind unterschiedlich. Jedes hat seine spezifischen Stärken und Schwächen, die Jede und Jeder für sich anders beurteilen mag. Mich hat es bereichert und über bestimmte Dinge nochmal anders nachdenken lassen. Unsere Gruppe ist daran gewachsen. Wie ist das bei euch?

Karneval der RSP Blogs: Kriminalabenteuer

Der Karneval der RSP Blogs handelt diesen – hüstel – letzten Monat vom Thema Polizei, Grund genug für mich, sich mal mit dem Thema Kriminalabenteuer auseinanderzusetzen – genauer gesagt, warum ich meine Liebe Mühe damit habe (und einige klägliche Versuche, diese in den Griff zu bekommen).

Vorweg: Ich mag eigentlich Kriminalabenteuer. Zumindest den Idealzustand davon. Ich kann mir ebenfalls vorstellen, dass viele Spieler*innen dort draußen es genießen, welche zu erleben. Mein Hauptproblem damit ist, dass unser aller Medienkonsum (Bücher, Serien, Filme, Hörspiele, Computerspiele, …) uns tagtäglich mit Kriminalgeschichten versorgt, die uns mit Konventionen und Erwartungen „vergiften“, die am Spieltisch oft schwierig umzusetzen sind.

Einige davon möchte ich an dieser Stelle gerne erläutern:

Sheriff Lonesome vs. Heldenhorde

„Die Ermittlerin schlich durch die feuchte Gasse, huschte von Schatten zu Schatten, um stets mit der Dunkelheit verschmolzen zu bleiben. Das Objekt ihrer Verfolgung blickte sich immer wieder nervös um, während es auf die Tür einer schmierigen Kaschemme zuhielt und schließlich darin verschwand. Die Ermittlerin lächelte, zog sich die Kapuze über den Kopf und legte sich bereits zurecht, wie sie sich unter die Menge mischen und dem hier folgenden Gespräch mit dem Drahtzieher möglichst unauffällig lauschen konnte…“

Ach nein, richtig: wir haben ja gar keine einsame, geschickte Ermittlerin. Dem Handlanger folgen der stahlklimpernde Zwerg („dieses Kettenhemd hat mein Urururur-Großvater mit seinem eigenen Blut und Sabber geschmiedet, das lege ich nicht einmal zum Schlafen ab!“), der humpelnde Magier („Ohne diesen Nachteil hätte ich niemals die GP für das Zauberritual des Dumpfipumpf bekommen!“) und der idealistische Ritter („Sobald der Schurke in der Kaschemme drin ist, stürmen wir den Laden und räuchern ihn komplett aus! – Was, ihr seid dagegen? Dann mach ich das eben allein!“).

Auch wenn es ein extremes Beispiel ist – ein Problem, das ich in Kriminalabenteuern sehe, ist dass viele archetypische Szenen auf Sheriff Lonesome maßgeschneidert sind und massiv unglaubwürdig werden, sobald eine Horde SCs hinein stolpern. Natürlich kann man die entsprechende Szene nur den einen der SCs erleben lassen, auf den dieses Szene passt, doch das ist in meinen Augen nur ein schaler Kompromiss, denn es zwingt den Rest der Spieler*innen in eine passive Beobachterrolle, die sich am Spieltisch nur zeitlich begrenzt sinnvoll umsetzen lässt. Denn blöderweise neigen Kriminalabenteuer dazu, öfters solche Szenen aufzuweisen und einen Alleingang eines SCs erfolgversprechender erscheinen zu lassen.

Ganz zu schweigen davon, dass typische Wendungen oft davon ausgehebelt werden. Beispiel gefällig: In der Kaschemme überschlagen sich Ereignisse, die Ermittlerin wird Zeugin einer überraschenden Wendung und verfolgt daraufhin den wahren Schuldigen bis zum großen Finale, weil sie sich unter die Kutsche hängt, mit der der Erzschurke davoneilt. Zwerg, Magier und Ritter dürfen also gerne ausknobeln, wer von ihnen das machen darf, um anschließend beim Schurken um Karenzzeit zu bitten? Nach dem Motto: „Moment bitte, ich muss kurz meine Kumpels anrufen, damit sie noch kommen, bevor du den Sohn des Grafen in diesem Schlammtümpel versenkst…“

Klaro gibt es auch Beispiele aus der Medienlandschaft, bei denen ein Ermittlerteam tätig ist. Oft sind diese allerdings hochgradig spezialisiert: Während einer den Schurken observiert, führt die zweite die Autopsie an der Leiche durch, die Cyberspezialistin findet den Fluss der Geldwäsche und der Chef der Truppe erwirkt derweil beim Richter den Durchsuchungsbefehl… Lässt sich am Bildschirm super sehen. Kann man auch spielen. Hat nur mit dem Erlebnis “Gruppenspiel“ nicht mehr allzu viel zu tun.

Man muss also entweder unrealistische Handlungen zu einem gewissen Grad in Kauf nehmen oder sich damit abfinden, dass viel Spielzeit im „Splitscreen“ verbracht wird.

Freiheit vs. Dramaturgie

In beinahe jedem Kriminalfall, den ich in den letzten Jahren in Medien konsumiert habe, stößt die Ermittlerin zuerst auf eine erfolgversprechende Spur, verfolgt diese durch Irrungen und Wirrungen – nur um nach der Hälfte der Zeit festzustellen, dass sie falsch ist. Das ist klasse für die Dramaturgie, setzt aber voraus, dass sie sich gleich zu Anfang auf diese Spur stürzt. In Roman, Film, etc. ist das super möglich, denn da bestimmt nur der Autor die Handlungen der Ermittlerin. Am Spieltisch sitzen oft vier bis sechs Gehirne, die das vollkommen anders angehen würden. Denn genau diese Freiheit, die man als Spieler*in hat, ist das einzigartige an unserem geliebten Hobby Rollenspiel!

Man muss also als SL ganz elegant die Handlungen seiner Spieler*innen lenken und manipulieren, um sie auf solch eine falsche Fährte lotsen zu können. Was gar nicht einfach ist. Denn es sollte den Spieler*innen bestenfalls nicht auffallen. Im Grunde ist es Railroading (wenn auch verstecktes, je nachdem wie fähig man als SL ist), das man in Kauf nehmen muss, um die Dramaturgie zu unterstützen. Eine Sache, die man aber stets unterschätzt, ist dass diese Dramaturgie nur wirkt, wenn man als Konsument des Kriminalfalls zumindest die Illusion bekommt, man hätte es lösen können, den einen Hinweis sehen können, der später zur richtigen Spur führt.

Beispiel dazu: Ich hatte im Rahmen einer kleinen, regionalen Kampagne, die in Aventurien in der Provinz Abagund spielt, ein selbstgeschriebenes Kriminalabenteuer in meiner Gruppe geleitet, in dem ein Diebstahl aus den Gemächern der Baronstochter (auf Burg Draustein) aufgeklärt werden sollte. In Wahrheit war es eine Krähe, die das Nest in einem Baum vor dem Fenster hatte, ich ließ also die Krähen regelmäßig in meinen Beschreibungen auftauchen und meine Spieler*innen hielten es zum Glück für einen Teil des Lokalkolorits. Nach einigen Irrungen, falschen Fährten und zunehmendem Zeitdruck kamen sie drauf – die dramaturgische Wirkung war großartig. Was ich gemacht hätte, wenn jemand gleich zu Anfang aus dem Fenster der Baronstochter geblickt und in das Vogelnest gesehen hätte? Keine Ahnung. Vielleicht gelogen? Oder den Spielleiterschirm zusammengeklappt, gratuliert und etwas anderes gespielt?

Man bewegt sich in einem Kriminalabenteuer also ständig auf einem extrem schmalen Grad zwischen Dramaturgie und Spielfreiheit, bzw. -einschränkung, den es zu balancieren gilt. Das muss man mögen – und als SL einige handwerkliche Fähigkeiten haben!

Spielen im Konjunktiv

Wer kennt nicht die Diskussionen rund um einen Heldenplan? Steigen wir in dieses Haus ein und wenn ja, wie? Welche Abwehrmaßnahmen gibt es? Wer geht zuerst über den Zaun? Was machen wir, wenn ein Hund auf der anderen Seite ist? Spieler*innen neigen dazu, sich vor absehbar komplizierten, und umso entscheidenderen (!), Szenen einen ausgefeilten Plan zurechtzulegen. Oft geht bis zu einer Stunde kostbarer Spielzeit dafür drauf, in der mehrere Varianten erwogen, verworfen, argumentiert und gegenargumentiert werden. Und am Schluss stellt sich heraus, dass die Situation völlig anders als erwartet ist, dass gleich der erste Würfelwurf schief geht, dass man etwas entscheidendes übersehen hat – und die gesamte Diskussion der letzten Stunde obsolet und im Grunde wertlos ist.

Schlimmer ist das ganze noch in Kriminalabenteuern. Hier gilt es nicht nur, die Pläne zu diskutieren, sondern zusätzlich die potentiellen Verdächtigen zu analysieren, Motive zu suchen, Theorien zu erörtern und daraus resultierende Handlungen und Optionen festzulegen. Okay, das gehört in einem gewissen Maß irgendwie immer zum Spiel.

Ich habe vor allem ein Problem damit, wenn es überhand nimmt. Wenn drei Viertel eines Spielabends im Konjunktiv stattfinden, aber niemals Realität werden, dann bleibt am Ende von solchen Diskussionen: Nichts. „Und, was habt ihr heute erlebt? – Nun, wir haben vor einer Scheune gestanden und diskutiert, aber als wir reingegangen sind, war sie leer.“ Kann man mögen. Ich finde es schwierig, wenn die Balance nicht mehr stimmt.

Solche Situationen erfordern meiner Meinung nach eine erhöhte SL-Aufmerksamkeit. Die SL muss an solchen Stellen regulierend eingreifen, damit sich die Spieler*innen nicht verrennen und damit die Konjunktiv-Zeit nicht die gesamte Spielzeit dominiert. Im Grunde einmal mehr eine Form von Railroading. Oder man akzeptiert halt, dass im Grunde nichts passiert und man die meiste Zeit in einem Gedankengebäude verbringt (das bereits im Gedankengebäude des Spielerlebnisses steckt, was die Sache noch verrückter macht).

Kriminalabenteuer mögen ein spezielles Genre sein – gut gemacht gehören sie allerdings zu den Highlights dessen, was man als Rollenspieler*in erleben kann (zumindest mir geht es so). Wenn es nicht so schwierig wäre, sie umzusetzen.

Mich würde interessieren, welche Erfahrungen ihr gemacht und welche Lösungsansätze ihr gewählt und für euer Spiel als gut empfunden habt.

Karneval der RSP Blogs: Sprache und … Khom

Eigentlich hatte ich das Thema Sprache gar nicht auf der Agenda für meine Khom-Reihe und bin dort obendrein noch mit ganz anderen, basaleren Themen beschäftigt, aber … Karneval ist schließlich Karneval 😉

So sprang also noch ein Bonus-Artikel außer der Reihe heraus.

Als ich damals anfing, die Khom Kampagne zu leiten, war mir recht rasch klar, dass Sprache einen wichtigen Teil des Flairs ausmachen muss, das meine Spieler*innen erleben könnten (und auch sollten!). Nicht zuletzt hatte ich mir auf die Fahnen geschrieben, dass das Lokalkolorit, die Menschen und Gebräuche und die Begegnung mit der ungewohnten Mentalität einen bedeutenden Teil des Spielerlebnisses darstellen sollten.

Dann allerdings stieß ich im Laufe der Vorbereitung recht rasch an meine Grenzen und begegnete einem Problem, das mein Mitpodcaster Dennis später als „sensiblen Umgang mit Sprache“ beschrieben hat.
Das Problem kurz auf den Punkt gebracht: Wie soll ich den Spieler*innen plakativ das Fremde vermitteln, ohne in simple (und oft genug grauenhaft falsche) Klischees zu verfallen? Wie ohne zu große Überspitzung in der Darstellung klarmachen, wo und mit wem hier gerade gesprochen wird?

Ein Beispiel, das klarmacht, worum es mir geht, ist recht einfach geschildert: In jedem mittelmäßigen Western aus der Mitte des letzten Jahrhunderts gibt es die Rolle des Chinesen, der mit radebrechender Sprache den Cowboys und Indianern irgendwo behilflich ist. Dieses mittelmäßige Niveau haltende Synchronisation schafft es nun, ihm eine charakteristische Sprache zu geben, in der jedes „R“ aufgrund der (angeblichen) Unfähigkeit zur Aussprache zu einem „L“ mutiert, jede „Rothaut“ zu einer „Lothaut“, und spätestens beim „Levolvel“ hört die Pietät endgültig auf. Was für ein Riesenspaß! Vor allem für die Kinobesucher mit asiatischem Hintergrund. [Wer die Ironie nicht gefunden hat, dem sei sie nun ans Herz gelegt.]

Ein weiteres, ungleich diffizileres Beispiel ist aus dem Kontext des Legend of the Five Rings Kartenspiels neulich von einem Mitspieler an mich herangetragen worden. Dort war es jahrelang Usus, das Spiel mit dem Ausruf „Banzai!“ zu beginnen. Dies führte zum sogenannten Banzai-Gate, und seitdem wird heiß diskutiert, ob die negative Konnotation dieses Wortes aus dem Kontext des zweiten Weltkriegs an dieser Stelle nicht die Verwendung aus Respekt verbittet (denn das Ziel des Spiels ist ja letztlich die Mitempfindung japanischer Kultur und nicht deren Verballhornung).

Wie kann ich nun als SL der Khom Kampagne also verhindern, dass die Sprache meiner Protagonisten auf Seiten der Novadis nicht in eine Richtung abdriftet, die meine Spieler*innen unweigerlich an klischeehaftes „Ghettosprech“ deutscher Großstädte denken lässt?

  • Ganz ohne eine Veränderung des Sprechrhythmus und der Aussprache wird es wohl nicht gehen, denn neben dem ersten Problem habe ich noch das zweite Problem, dass ich einen riesigen Cast an NSCs habe, von denen jede(r) im Optimalfall eine eigene „Stimme“ besitzen soll (allein aufgrund der Differenzierbarkeit).
    Dann aber muss mir klar sein, dass ich die kehlige Aussprache sehr, sehr dosiert (!) einsetzen, und auf wenige Protagonisten beschränken muss.
  • Eine zweite Möglichkeit, deren Effekt ich immer wieder mit großer Zufriedenheit beobachten konnte, ist die Verwendung von spezifischen Begriffen und Namen. Zum Glück bietet das aventurische Universum hier mit der tulamidischen Sprache einen reichen Schatz an Vokabeln für alle möglichen Gelegenheiten (und ja: ich gebe zu, es benötigt manchmal ein wenig Überwindung, sich immer wieder die nötigen Vokabeln draufzuschaffen). Und im Zweifelsfall hilft an mancher Stelle auch das Arabische, das wunderschön lautmalerische Wörter liefern kann, die am Spieltisch lange in Erinnerung bleiben.
  • Einer dritten Möglichkeit begegnet man in der realen Welt immer wieder: Missverständnissen. Wer häufig in fremden Sprachen kommunizieren muss, wird das Phänomen kennen. Man missversteht einige Begriffe und es kommt völliger Blödsinn dabei heraus.
    In die Ingame Sprache ist das recht schnell eingebaut: Ich benutze einfach absichtlich falsche Wörter, die ich mal mehr, mal weniger auffällig in mein normales, am Spieltisch gesprochenes Deutsch einflechte, um zu simulieren, dass die SCs mit ihren Sprachkenntnissen manchmal im Detail daneben liegen. So habe ich meine Helden mal auf einen Turm anstatt in die Ställe geschickt, oder habe ihnen sogar einmal weisgemacht, sie müssten ihren Tee nach der Zubereitung auf den Boden schütten (anstatt ihn zu trinken). Nach kurzer Diskussion untereinander haben sie zum Glück beschlossen, das nicht zu tun und es auf ein Missverständnis geschoben. Schade, denn diese Beleidigung des Gastgebers hätte für reichlich Emotionen am Spieltisch gesorgt.
  • Womit wir schon bei der vierten Möglichkeit wären. Denn wichtiger noch (und oft untrennbar mit ihr verknüpft) als die Sprache ist oftmals die Kultur. Wenn es gelingt, dass sich die Spieler*innen am Spieltisch wirklich fremd fühlen, ist es die perfekte Ergänzung zum Fremdsprachenerlebnis.
    Ein kleiner (zwangsläufig unvollständiger) Abriss: Was gilt als (un)höflich? Wonach sollte man im Leben streben? Welche Rolle spielt die Religion im Alltag? Wofür wird SCs (kein) Respekt entgegengebracht? Wie ist der Umgang mit Reichtum/Armut? Welches sind (oft überraschend) die wichtigsten Werte?
    All dies kann zu interessanten Irritationen führen, die Spieler*innen am Tisch mit erinnerungswürdigen Erlebnissen versorgen.

In Summe ist Sprachen und Dialekte sicherlich eines der langlebigsten Themen, die im Rollenspielkontext diskutiert werden, ohne dass es eine Musterlösung gäbe, wie das am Spieltisch konstant reibungslos und zielführend funktioniert. Es gibt sicherlich hunderte Artikel und Podcasts dazu – mir wäre keiner in Erinnerung, der für durchgängig jede SL gut funktionierende Wege aufzeigt.

Am Ende ist es immer eine Typfrage: Was zeichnet mich als SL aus? Worauf lege ich Wert? Was passt zu meiner Gruppe?

Ich bin froh, in der Khom damals einen guten Weg gefunden zu haben und wünsche jedem viel Spaß dabei, seinen zu wählen.

Karneval der RSP Blogs: Sprache und… Meta

Warum Metagespräche sinnvoll sind – oder: ein Plädoyer für das Briefing / Debriefing.

Jeder von uns Spieler*innen kennt das: Man kommt freudig zum Spielort, begrüßt seine Mädels und Jungs, nimmt Platz, macht es sich gemütlich und spielt los. Wenn man eine „gute“ Gruppe (TM) hat, dann hat man meistens durchgehend Spaß. Wenn nicht … dann kommt meistens irgendwann am Spieltag ein Augenblick, der einen langweilt, einem sauer aufstößt, oder einen vielleicht sogar an den Rand der still (oder im schlimmsten Fall: laut) brodelnden Weißglut treibt.

Warum passiert so etwas?

Wieso muss Spielerin XY ständig [feel free to fill your pain] tun? Aus welchem Grund kann Spieler YZ nicht endlich [again, feel free to fill your pain] sein lassen?

Ich vertrete ja die Ansicht, dass die meisten Spieler*innen das, was uns am fürchterlichsten nervt, gar nicht absichtlich tun. Oder sogar bösen Willens. Sondern, weil sie in den allermeisten Fällen überhaupt keine Ahnung haben, was sie mit [one last time, feel free to fill your pain] bewirken. Woher auch?

Ich selbst verbrachte Jahre in einer Spielrunde, in der es Usus war, keine Sekunde kostbare Spielzeit („Quality Time“) darauf zu verwenden, darüber zu sprechen, Was und Wie eigentlich gespielt werden sollte. Alle waren der Meinung „es passt doch im Großen und Ganzen“. Alle außer mir. Bitter, wenn man diese Tatsache nicht anders kundtun kann, als sich eine neue Gruppe zu suchen.

Heute nutzen wir in der aktuellen Runde, von der ich ein weitgehend glücklicher Teil bin, die Zeit vor und nach jeder Spielsitzung damit, nicht nur über das Wetter und die neuesten RSP-Releases zu quatschen, sondern ein Briefing und Debriefing zu halten.

Das hat natürlich jede Menge mit Sprache zu tun. Mit wertschätzender Sprache vor allem. Im Kern geht es darum, seine Bedürfnisse zu äußern, ohne seine Mitspieler*innen vor den Kopf zu stoßen. Darum, seine Mitspieler*innen besser zu verstehen und zugleich besser verstanden zu werden.

Im Prinzip – auch wenn das ein sehr hoch gegriffenes Beispiel ist – gleicht eine Spielrunde hierin einer Ehe: Wenn man nicht lernt, frühzeitig konstruktiv miteinander zu kommunizieren, ist man schneller in eine Abwärtsspirale gerutscht, als einem lieb ist. Und manche Spielrunde hält länger als es die ein oder andere Ehe tut.

Bei diesen Briefings wird im besten Fall jede*r Spieler*in gleichrangig behandelt, egal ob SL oder nicht. Denn auch als SL hat man Bedürfnisse, die man gerne erfüllt haben möchte, auch wenn man vor allem dazu da ist, die Bedürfnisse der Spieler*innen zu stillen.

Worum geht es nun (beispielhaft) bei den Briefings:

  • SL: Was habe ich heute vor? Was erwartet euch? Welche Stimmung würde euch helfen (Horror, Spannung, Klamauk, …)? Worauf habe ich persönlich Lust?
  • Spieler*in: Bin ich heute „in the mood“ oder trage ich ein Päckchen hierher, das mit euch anderen nichts zu tun hat, euch aber auffallen könnte? Wie ist mein Energielevel? Will ich heute einmal nicht im Mittelpunkt stehen?
  • Spieler*in: Was würde ich heute gerne erleben? Diplomatie? Intrige? Kampf? Rätsel? Characterplay? Alles davon? Nichts? (ohne den Anspruch zu haben, dass es gleich heute erfüllt werden kann)
  • Spieler*in: Was würde mein SC heute gerne erreichen? Welchen Konfliktherd würde ich gerne beackern?

Und (beispielhaft) bei den Debriefings:

  • Spieler*in: Wie erging es mir heute? Wo hatte ich am meisten Spaß? Hatte ich Durchhänger / Langeweile? Gab es Momente von Mitspieler*innen, die mir besonders gefallen / geholfen haben?
  • SL: Was habe ich beim nächsten Mal mit euch vor? Was würdet ihr gerne beim nächsten Mal erleben?
  • Spieler*in: Welche Szene hat mir am meisten gefallen und warum? Welchen NSC würde ich gerne wiedersehen? Welche Storyelemente / Plotfäden würde ich gerne weiterverfolgen?
  • Spieler*in: Wie geht es meiner*m SC? Hat sich in ihrem/seinem Verhältnis zu einer*m anderen SC etwas verändert?

In Summe geht es im Rollenspiel doch darum, sein Erlebnis mit den anderen Mitspieler*innen zu teilen – warum also nicht mit ihnen darüber reden? Ihnen das widerzuspiegeln, was man erlebt hat – und wichtiger noch – ob es die eigenen Erwartungen / Bedürfnisse erfüllt hat und was möglich / nötig wäre, damit es dazu kommt.

Ich für meinen Teil werde mir also weiterhin auf die Fahnen schreiben, alles Sinnvolle tun, um dafür zu sorgen, dass unser Spiel das bleibt, was es sein soll: „Quality Time“.