Karneval der RSP-Blogs – Riesen

Der diesmonatige Karneval der Rollenspielblogs wird von Merimac gehostet und handelt vom Thema Riesen. Nachdem ich nun für Höfe und Vorstandsbüros eine „riesige“ Pause (muhaha) gemacht habe, Grund genug, einige Gedanken zu Riesen und ihrer Verwendung im Rollenspiel zu Papier zu bringen. Anders als z.B. dnalor in seinem Beitrag, habe ich mich übrigens dazu entschieden, diese Gedanken zunächst nur für die „klassischen“ Riesen zu sammeln, d.h. diejenigen, deren Größe die eines Menschen bei weitem übersteigt (nicht wie bei einem Troll oder Oger), dennoch aber genug menschlichen Attribute aufweist, um im weitesten Sinne als „menschlich“ zu gelten.

Warum Riesen?

Zunächst einmal sollte man sich fragen, warum es ausgerechnet ein Riese sein muss. Tut es nicht ein Drache auch? Oder ein anderes Monster?

Jein. Vielleicht geht es noch anderen so, für mich zumindest trägt alleine das Wort „Riese“ noch einen Hauch von (Sense of) Wunder in sich. Drachen sind durch die Fantasyliteratur und diverse Rollenspielsettings halt einfach ausgenudelt, machen wir uns nichts vor. Riesen lassen etwas mitschwingen, das uns vielleicht an unsere Kindheit erinnert, sie haben ein Flair von Sagen und Märchen und das macht sie aus meiner Sicht noch etwas besonders.

Für mich ist völlig klar: Wer Riesen in seinem Setting / Abenteuer als tumbe Kampfmaschinen einsetzt, schöpft ihr Potential nicht aus.

Wofür Riesen?

  1. Riesen als Lokalkolorit
    Merimac hat es in seinem Eingangbeitrag bereits angeteasert: Es gibt wohl wenige Regionen, die nicht die ein oder andere landschaftliche Besonderheit auf das Wirken von Riesen zurückführen. Wir Rollenspieler*innen sind oft genug im Bereich Fantasy unterwegs – warum also nicht diese Riesen tatsächlich vorkommen lassen?
    Und damit meiner ich nicht, dass der/die Riese/Riesin wirklich auftauchen muss. Viel schöner ist die latente Spannung am Spieltisch, bei der die SCs zuerst Gerüchte über das Vorkommen von Riesen hören und später die Auswirkungen im Gelände feststellen. Wenn man eine Gruppe hat, die sich auf so etwas einlassen kann, dann kann man durch eine Sichtung in weiter Ferne oder nur die entsprechende, sich nähernde Geräuschkulisse ein spannendes Spielerlebnis schaffen, an das man sich noch lange erinnern mag.
  2. Riesen als Plotelement
    Viele Fantasysettings und antike Sagen verorten Riesen oder Riesinnen als Orakel. Wir könnten es als Ziel des Plots setzen, in das unwirtliche Gebirge von nebenan vorzudringen, um sich dort auf die Suche nach der orakelnden Riesin Ypsis’zuch’wa’robrmur zu machen: Wie soll man sie trotz ihrer Größe in all diesem Gelände bloß finden? Und wie verhindert man, dass sie einem direkt an Ort und Stelle den Kopf abbeißt? Welche Art von Geschenken könnte sie besänftigen? Und wenn man den Orakelspruch dann empfangen hat: Was zur Hölle sollen diese kryptischen Worte bloß bedeuten?
  3. Riesen als Auftraggeber
    Wenn man einmal einen etwas exotischeren Auftraggeber ins Spiel bringen will, kann man einen Riesen wählen. In solch einem Fall sollte aber allein der Auftragsinhalt seltsam anmuten, im besten Falle für einen gewöhnlichen Menschen völlig wertlos erscheinen. Oder was wäre, wenn der Riese Broabgrbom einfach nur seine Ruhe haben will und die SCs sollen gefälligst dafür sorgen, dass er sie bekommt?
    Die Belohnung, die einem solch ein Auftrag einbringt, könnte ebenfalls einmal aus der Reihe fallen: Vielleicht hat der Riese einen der SCs als Geisel einkassiert und dessen Gefährt*innen müssen nun dem Auftrag nachkommen, um ihn wieder frei zu bekommen. Oder aber der Riese beschenkt die SCs mit einem (zunächst scheinbar wertlosen) Artefakt nahezu kosmischen Alters, eröffnet ihnen ebenso altes Wissen oder zeigt ihnen einen ebensolchen, längst vergessenen, unzugänglichen Ort (was alles wieder Aufhänger für weitere Abenteuer sein könnte).
  4. Riesen als „Gegner“
    Na gut. Meinetwegen auch als Gegner. Vielleicht wenden sich die sprichwörtlichen Dörfler an die SCs, weil sie den Riesen besiegen oder vertreiben sollen (Ich fände ja den umgekehrten Fall viel charmanter). Im weiteren könnte sich der Grund herausstellen, aus dem der Riese das Dorf heimsucht: Sie haben versehentlich sein Vieh gejagt und getötet und jetzt ist er hungrig und muss sich seinen Ersatz irgendwo herholen. Oder das Dorf ist erst seit einhundert Jahren an dieser Stelle – blöderweise hat er dort vor zweihundert Jahren seine gestorbene Gefährtin begraben und will ihrer nun gedenken (was die Dörfler in ihrem Schrecken natürlich nicht verstanden haben). Im besten Fall will der Riese nur die Welt retten: Vor zweihundert Jahren hat er dort ein Böses besiegt, das in einem erneuten Ritual besänftigt werden muss, oder sich sogar nun wieder regt (was die panischen Dörfler erst Recht nicht begriffen haben).
  5. Riesen als Gegner
    Ok, ok, ok, ok. Für die wenigen Unverbesserlichen, die es auf einen harten Schlagabtausch („… und sonst nix, jawoll!“) mit einem Riesen abgesehen haben: Bitte nicht einfach nur als Kampfmaschine mit zwei-Weh-Fuffzich Schaden hinstellen. Ein Riese ist eine Naturgewalt und sollte als solche behandelt werden. Ein Kampf mit einer solchen sollte also aus meiner Sicht keinen Stein auf dem anderen lassen.
    Bäume knicken wie Strohhalme, werden ausgerissen, gegen SCs geschwungen und nach ihnen geworfen. Ein Riese kann in einen Fluss flüchten und hindurch waten, für den SCs eine Brücke oder ein Boot benötigen. Wenn ein Riese mit seiner Faust (oder besser einem ganzen Baum) zuhaut, spritzt Erdreich in alle Richtungen und metertiefe Dellen entstehen im Gras oder Waldboden. Ein Riese könnte SCs werfen, sodass diese gegen Bäume oder Felsen geschleudert werden. Und apropos Felsen: Findlinge, so hoch wie ein Haus, dürften ziemlich weh tun, wenn sie umgestürzt werden. Oder die „kleineren“ Brocken im Format eines Kalbs, die einem als SC links und rechts um die Ohren fliegen.
    Und warum nicht gleich den Kampf in einen Schauplatz verlegen, wo der Riese seine ganze zerstörerische Kraft entfalten kann? Eine Klamm oder Talsperre, ein Damm, aus dem der Riese in seiner Wut ganze Baumstämme reißt und damit ein gesamtes Tal bedroht? Der steile Grat eines Mittelgebirgsrückens, in dem Sandsteinpfeiler in die Höhe wachsen und turmhohe, jahrhundertealte Bäume zu beiden Seiten bis zum Horizont reichen?
    Und wer will, darf dann endlich, endlich sein Schwert+2 aus dem Gürtel zerren und damit herumfuchteln…

Ich persönlich bin in siebenundzwanzig Jahren Rollenspiel erst ein oder zwei Malen einem Riesen begegnet und jedes Mal hat es einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Wie habt ihr sie bisher erlebt? Teilt ihr meine Meinungen? Ich wäre gespannt auf entsprechende Anregungen.

Khom – Kämpfe und Schlachten (Teil 2 Choreograph)

Ein Choreograph – das ist doch jemand, der ein Tanzensemble so auf- und einstellt, dass sich für den Betrachter ein bestmögliches Ergebnis ergibt, der auf die Simultanität achtet und dafür sorgt, dass der Tänzer vorne rechts seine Partnerin nicht höher hebt, als der Tänzer hinten links? Was zum Kuckuck hat das mit Rollenspiel zu tun?

Mein Choreograph ist im Grunde eine imaginäre Person, deren Perspektive ich einnehme, um die dramaturgische Wirkung eines Kampfgeschehens zu optimieren. Denn eine echte Choreographin ist ebenfalls die schöpferische Kraft hinter einer Aufführung, die die Schritte und Drehungen der Einzeltänzer*innen zu Wellen und Wogen des Gesamtbilds umformt.

Ok, selbst wenn ich das jetzt verstanden habe – was hat das mit Kämpfen im Rollenspiel zu tun?

Metahelden – Long way to happiness

„Lass uns doch unsere (Meta-)Diskussionen kanalisieren und das ganze als Podcast aufnehmen“ – so viel zur Theorie.

Dass wir unsere erste Episode aufgenommen haben, ist nun mehrere Monate her. Das Aufnehmen wurde mehrmals hart durch die Corona-Krise unterbrochen, denn im Gegensatz zu vielen anderen Podcastern fühlen wir uns wohler, uns beim Aufnehmen gegenüber zu sitzen.

Trotzdem hat sich einiges bewegt: Benjamin ist der gute alte Edirol UA25 abgeraucht, was die Aufnahmen für das Intro zum Podcast verlangsamt (Einsingen ohne Monitor auf dem Kopfhöhrer ist wie Autofahren mit verbundenen Augen) hat. Dennis hat derweil einige Entwürfe für das Podcast Logo entworfen.

Erste Skizzen zum Logo der Metahelden

Er hat mehrere Ideen durchgespielt: Zuerst wäre da die klassische Variante mit zwei gutaussehenden Comichelden, die Benjamin und Dennis wie aus dem Gesicht geschnitten scheinen. Dann gab es Ideen zu Schwert und Schild, was schließlich die ultimative Heldenausrüstung ist (und sich mit einem stilisierten „H“ verschmelzen lässt). Das Puzzleteil stand zudem Pate für die Idee, durch die Metagespräche den fehlenden Teil zu finden, der unser aller Spielerlebnis plötzlich Sinn machen lässt. Es findet sich in Ansätzen auch im dritten Entwurf, das ein stilisiertes „M“ (Überraschung: für „Metahelden“) zeigt, in dem zwei Helden die unteren Ausparungen des Buchstabens erzeugen.

Natürlich haben wir einen klaren Favoriten. Welcher ist eurer?

Khom – Kämpfe und Schlachten (Teil 1 Think Tank)

Schlachten im Rollenspiel überzeugend darzustellen, so ein Zitat eines meiner ehemaligen SLs, sei „immer schwierig und am Ende unbefriedigend“. Wie schön, dass das Rückgrat der Khom Kampagne genau daraus besteht, nicht wahr?

Ich für meinen Teil bin nicht vollkommen der selben Meinung. Ja, natürlich ist es nicht einfach, Schlachten in ihrer Komplexität, Glaubwürdigkeit (oft genug auch Unmenschlichkeit) einerseits, aber zugleich spielbar und spannend darzustellen. Aber es ist auch nicht unmöglich.

Zwei Werkzeuge haben mir damals geholfen, die vielen Scharmützel, Schlachten, Belagerungen usw. zu meiner Gruppe passend umzusetzen:

  • Der Think Tank
  • Der Choreograph

Einen Think Tank kann man sich vielleicht noch vorstellen, aber was zum Kuckuck macht hier ein Choreograph? Schauen wir uns trotzdem zuerst den Think Tank an.

Khom – Der Feind und seine Gesichter (Teil 2)

Im ersten Teil hatte ich angekündigt, der Al’Anfanischen Hydra mehr Köpfe verleihen zu wollen. Blöd nur, wenn der gewohnte Weg fehlschlägt und nicht wirklich brauchbare Ergebnisse liefert. Nun gut, dann nimmt man eben einen anderen.

In diesem Fall habe ich mich an der Struktur des Al’Anfanischen Heeres entlanggehangelt, um weitere Gesichter (und vor allem konkreten Spielnutzen) zu generieren.

Karneval der RSP Blogs: Das Ende des Sommers (Online-Spiel)

(Der Karneval der RSP Blogs wird diesen Monat dankenswerterweise von Timberwere gehostet – mich hat er zu folgendem Beitrag inspiriert)

Oktober 2020. Der Sommer geht zu Ende, die Corona-Saison geht weiter. Steigende Fallzahlen lassen den nächsten Lockdown in greifbare Nähe rücken.

Spielen (im Freien!) wird nicht mehr so einfach werden.

Der April 2020 hat in meinem Rollenspielerleben nach über 25 Jahren tatsächlich noch eine Neuerung gebracht (auch wenn ich wahrscheinlich der letzte, rückständige Spieler auf diesem Planeten bin, der das vorher noch nie gemacht hatte ;-)): Online-Rollenspiel. Unser rettender Strohhalm! Der Heilige Gral des Spielens in Corona-Zeiten! Äh… jein.

Spielen ist immer noch toll. Es ist nur nicht mehr das gleiche. Viele Aspekte sind eine klare Bereicherung, andere doch gewöhnungsbedürftig. Ich habe in einer kleinen, privaten Abrechn… äh… Auflistung einige davon gesammelt, in denen sich Präsenz- und Onlinespiel für meine Gruppe und mich unterschieden haben:

Präsenz bedeutet Anwesenheit

Klingt wie eine Binse, ist für mich elementar wichtig. Erst als es mir genommen wurde, habe ich festgestellt, wie wichtig für mich die Gestik und Mimik meines Gegenübers ist. In meiner Gruppe kennen wir uns wirklich gut. Wir spielen seit Jahren, es gibt entsprechendes Vertrauen – wir sind ein eingespieltes Team. Trotzdem war es für uns schwierig, ein entsprechendes Charakterspiel durchzuführen. All die kleinen Gespräche zwischen zwei SCs, die mit einem kurzen Augenkontakt initiiert werden, und die nicht länger als 1-2 Minuten dauern, aber für unser Charakterspiel so wichtig sind. An „echte“ Konflikte zwischen zwei SCs haben wir nicht mal zu denken gewagt.
Mit unserer Anwesenheit versickert auch die Anwesenheit unseres Charakterspiels.

Das Jucken in den Würfelfingern

Wieder so ein unterschätzter Aspekt. Haptik spielt offenbar in unserem Kleinhirn eine größere Rolle, als ich angenommen hatte. Alleine das Gefühl (und Geräusch) der Würfel in meiner Hand löst bei mir Emotionen aus (ein Punkt, der mir von allen meinen Mitspielern in unseren Debriefings bestätigt wurde). Man denke nur an den Moment vor der alles entscheidenden Probe, wo man mit den Mitspieler*innen nochmals Blicke austauscht und die Würfel in der Hand klappern lässt. Wie leicht ist es, hier mit der Spannungsschraube zu spielen.
Klar, eine Würfel-App (wir nutzen z.B. Roll20) kann den spielmechanischen Teil super abdecken. Je nach Spielsystem kann das Konfigurieren des Pools, die Auswahl und Auswertung der Würfel aber anfangs länger dauern. Und die Emotionen beim Mausklick sind bei mir zumindest schwächer.

Scotty, beam me zu meinem Spielort

Üblicherweise begannen meine Spieltage damit, am Sonntagmorgen um halb Sieben aufzustehen, die Kinder ins Auto zu setzen und zu Oma und Opa zu fahren, um pünktlich um zehn Uhr am Spielort sein zu können. Das hat sich nun gegessen. Nach einem gechillten Frühstück verschwinde ich im Hobbykeller, aus dem ich ab und an auftauche, um nach dem Rechten zu sehen. Nebenbei mit Kopfhörern am Herd stehen und das Mittagessen kochen? In einer kurzen Spielpause die Mathehausaufgaben kontrollieren? Alles kein Problem. Manchmal gedanklich dadurch abgelenkt zu sein? Äh… was hast du gesagt?
Und überhaupt: Wann habe ich das letzte Mal für „nur“ zwei bis drei Stunden an einem Wochentag-Abend gespielt?

Technik, Spielfluss

Habe ich gesagt, dass die Anfahrtszeit entfällt? Richtig. Was nicht wegfällt, ist die Zeit, die alle benötigen, um die Technik in Gang zu bringen. Im besten Fall nutzen wir diese Zeit für den Vorabsmalltalk, im schlechtesten warten vier Spieler*innen darauf, dass die Technik den letzten von uns endlich durch die Tore lässt. Wie gut, dass die Netzwerkqualität danach immer gut genug ist, um n… al… zu… verst… …as die Mitspi… … … …ich geben, nicht wahr?
Beruhigend ist auch, dass niemand von uns einen Router hat, der einmal pro Tag keine Lust mehr hat und neu gebootet werden muss, oder sogar einen Provider, der sporadisch für fünfzehn Minuten aus unbekannten, nicht rekonstruierbaren Gründen das Internet kappt. Windows-Reboot anyone? Nein, das passiert zum Glück niemand. Niemand.

Showdown at its best

Eine Sache, die unser Spielerlebnis wirklich bereichert hat, waren die Möglichkeiten, die uns ein Online-Tool wie Roll20 geliefert hat. Klaro kann man auch am Spieltisch aus Tokens, der Chipsschüssel und der umgedrehten Frischkäsepackung eine taktische Umgebung bauen, aber wenn man einen talentierten Grafiker hat, der mit dem richtigen Auge für stimmungsvolle Karten eine passende auswählt (oder sogar selbst gestaltet), auf der man am Bildschirm seine Figuren bewegt, dann ist das nochmal eine andere Sache. Wer kann wann wie weit seine Figur bewegen? Kann ich diesen gezeichneten Felsen nutzen, um hinaufzuklettern? Können wir uns an diesem Mauerdurchbruch verbarrikadieren? Das bietet schon einige taktische Möglichkeiten, die ich für meinen Teil gerne auch öfter im Präsenzspiel nutzen würde.

Und jetzt?

Eines ist mir im Laufe der letzten Monate klar geworden: Präsenz- und Onlinespiel sind unterschiedlich. Jedes hat seine spezifischen Stärken und Schwächen, die Jede und Jeder für sich anders beurteilen mag. Mich hat es bereichert und über bestimmte Dinge nochmal anders nachdenken lassen. Unsere Gruppe ist daran gewachsen. Wie ist das bei euch?

Khom – Der Feind und seine Gesichter (Teil 1)

Eines der wichtigen Präliminaria, die ich mir damals für die Khom-Kampagne gesetzt hatte, war ein gewisser Realismusanspruch und eine ansprechende Detailtiefe. Blöd nur, wenn das offizielle Spielmaterial nur genau fünf feindliche NSCs liefert – und davon drei Heerführer sind, denen man während der Kampagne nie wirklich von Angesicht zu Angesicht gegenüber steht.

Was also tun in solch einem Fall, um konkreten Spielnutzen zu generieren? Man verleiht der Al’Anfanischen Hydra mehr Gesichter.

Karneval der RSP Blogs: Kriminalabenteuer

Der Karneval der RSP Blogs handelt diesen – hüstel – letzten Monat vom Thema Polizei, Grund genug für mich, sich mal mit dem Thema Kriminalabenteuer auseinanderzusetzen – genauer gesagt, warum ich meine Liebe Mühe damit habe (und einige klägliche Versuche, diese in den Griff zu bekommen).

Vorweg: Ich mag eigentlich Kriminalabenteuer. Zumindest den Idealzustand davon. Ich kann mir ebenfalls vorstellen, dass viele Spieler*innen dort draußen es genießen, welche zu erleben. Mein Hauptproblem damit ist, dass unser aller Medienkonsum (Bücher, Serien, Filme, Hörspiele, Computerspiele, …) uns tagtäglich mit Kriminalgeschichten versorgt, die uns mit Konventionen und Erwartungen „vergiften“, die am Spieltisch oft schwierig umzusetzen sind.

Einige davon möchte ich an dieser Stelle gerne erläutern:

Sheriff Lonesome vs. Heldenhorde

„Die Ermittlerin schlich durch die feuchte Gasse, huschte von Schatten zu Schatten, um stets mit der Dunkelheit verschmolzen zu bleiben. Das Objekt ihrer Verfolgung blickte sich immer wieder nervös um, während es auf die Tür einer schmierigen Kaschemme zuhielt und schließlich darin verschwand. Die Ermittlerin lächelte, zog sich die Kapuze über den Kopf und legte sich bereits zurecht, wie sie sich unter die Menge mischen und dem hier folgenden Gespräch mit dem Drahtzieher möglichst unauffällig lauschen konnte…“

Ach nein, richtig: wir haben ja gar keine einsame, geschickte Ermittlerin. Dem Handlanger folgen der stahlklimpernde Zwerg („dieses Kettenhemd hat mein Urururur-Großvater mit seinem eigenen Blut und Sabber geschmiedet, das lege ich nicht einmal zum Schlafen ab!“), der humpelnde Magier („Ohne diesen Nachteil hätte ich niemals die GP für das Zauberritual des Dumpfipumpf bekommen!“) und der idealistische Ritter („Sobald der Schurke in der Kaschemme drin ist, stürmen wir den Laden und räuchern ihn komplett aus! – Was, ihr seid dagegen? Dann mach ich das eben allein!“).

Auch wenn es ein extremes Beispiel ist – ein Problem, das ich in Kriminalabenteuern sehe, ist dass viele archetypische Szenen auf Sheriff Lonesome maßgeschneidert sind und massiv unglaubwürdig werden, sobald eine Horde SCs hinein stolpern. Natürlich kann man die entsprechende Szene nur den einen der SCs erleben lassen, auf den dieses Szene passt, doch das ist in meinen Augen nur ein schaler Kompromiss, denn es zwingt den Rest der Spieler*innen in eine passive Beobachterrolle, die sich am Spieltisch nur zeitlich begrenzt sinnvoll umsetzen lässt. Denn blöderweise neigen Kriminalabenteuer dazu, öfters solche Szenen aufzuweisen und einen Alleingang eines SCs erfolgversprechender erscheinen zu lassen.

Ganz zu schweigen davon, dass typische Wendungen oft davon ausgehebelt werden. Beispiel gefällig: In der Kaschemme überschlagen sich Ereignisse, die Ermittlerin wird Zeugin einer überraschenden Wendung und verfolgt daraufhin den wahren Schuldigen bis zum großen Finale, weil sie sich unter die Kutsche hängt, mit der der Erzschurke davoneilt. Zwerg, Magier und Ritter dürfen also gerne ausknobeln, wer von ihnen das machen darf, um anschließend beim Schurken um Karenzzeit zu bitten? Nach dem Motto: „Moment bitte, ich muss kurz meine Kumpels anrufen, damit sie noch kommen, bevor du den Sohn des Grafen in diesem Schlammtümpel versenkst…“

Klaro gibt es auch Beispiele aus der Medienlandschaft, bei denen ein Ermittlerteam tätig ist. Oft sind diese allerdings hochgradig spezialisiert: Während einer den Schurken observiert, führt die zweite die Autopsie an der Leiche durch, die Cyberspezialistin findet den Fluss der Geldwäsche und der Chef der Truppe erwirkt derweil beim Richter den Durchsuchungsbefehl… Lässt sich am Bildschirm super sehen. Kann man auch spielen. Hat nur mit dem Erlebnis “Gruppenspiel“ nicht mehr allzu viel zu tun.

Man muss also entweder unrealistische Handlungen zu einem gewissen Grad in Kauf nehmen oder sich damit abfinden, dass viel Spielzeit im „Splitscreen“ verbracht wird.

Freiheit vs. Dramaturgie

In beinahe jedem Kriminalfall, den ich in den letzten Jahren in Medien konsumiert habe, stößt die Ermittlerin zuerst auf eine erfolgversprechende Spur, verfolgt diese durch Irrungen und Wirrungen – nur um nach der Hälfte der Zeit festzustellen, dass sie falsch ist. Das ist klasse für die Dramaturgie, setzt aber voraus, dass sie sich gleich zu Anfang auf diese Spur stürzt. In Roman, Film, etc. ist das super möglich, denn da bestimmt nur der Autor die Handlungen der Ermittlerin. Am Spieltisch sitzen oft vier bis sechs Gehirne, die das vollkommen anders angehen würden. Denn genau diese Freiheit, die man als Spieler*in hat, ist das einzigartige an unserem geliebten Hobby Rollenspiel!

Man muss also als SL ganz elegant die Handlungen seiner Spieler*innen lenken und manipulieren, um sie auf solch eine falsche Fährte lotsen zu können. Was gar nicht einfach ist. Denn es sollte den Spieler*innen bestenfalls nicht auffallen. Im Grunde ist es Railroading (wenn auch verstecktes, je nachdem wie fähig man als SL ist), das man in Kauf nehmen muss, um die Dramaturgie zu unterstützen. Eine Sache, die man aber stets unterschätzt, ist dass diese Dramaturgie nur wirkt, wenn man als Konsument des Kriminalfalls zumindest die Illusion bekommt, man hätte es lösen können, den einen Hinweis sehen können, der später zur richtigen Spur führt.

Beispiel dazu: Ich hatte im Rahmen einer kleinen, regionalen Kampagne, die in Aventurien in der Provinz Abagund spielt, ein selbstgeschriebenes Kriminalabenteuer in meiner Gruppe geleitet, in dem ein Diebstahl aus den Gemächern der Baronstochter (auf Burg Draustein) aufgeklärt werden sollte. In Wahrheit war es eine Krähe, die das Nest in einem Baum vor dem Fenster hatte, ich ließ also die Krähen regelmäßig in meinen Beschreibungen auftauchen und meine Spieler*innen hielten es zum Glück für einen Teil des Lokalkolorits. Nach einigen Irrungen, falschen Fährten und zunehmendem Zeitdruck kamen sie drauf – die dramaturgische Wirkung war großartig. Was ich gemacht hätte, wenn jemand gleich zu Anfang aus dem Fenster der Baronstochter geblickt und in das Vogelnest gesehen hätte? Keine Ahnung. Vielleicht gelogen? Oder den Spielleiterschirm zusammengeklappt, gratuliert und etwas anderes gespielt?

Man bewegt sich in einem Kriminalabenteuer also ständig auf einem extrem schmalen Grad zwischen Dramaturgie und Spielfreiheit, bzw. -einschränkung, den es zu balancieren gilt. Das muss man mögen – und als SL einige handwerkliche Fähigkeiten haben!

Spielen im Konjunktiv

Wer kennt nicht die Diskussionen rund um einen Heldenplan? Steigen wir in dieses Haus ein und wenn ja, wie? Welche Abwehrmaßnahmen gibt es? Wer geht zuerst über den Zaun? Was machen wir, wenn ein Hund auf der anderen Seite ist? Spieler*innen neigen dazu, sich vor absehbar komplizierten, und umso entscheidenderen (!), Szenen einen ausgefeilten Plan zurechtzulegen. Oft geht bis zu einer Stunde kostbarer Spielzeit dafür drauf, in der mehrere Varianten erwogen, verworfen, argumentiert und gegenargumentiert werden. Und am Schluss stellt sich heraus, dass die Situation völlig anders als erwartet ist, dass gleich der erste Würfelwurf schief geht, dass man etwas entscheidendes übersehen hat – und die gesamte Diskussion der letzten Stunde obsolet und im Grunde wertlos ist.

Schlimmer ist das ganze noch in Kriminalabenteuern. Hier gilt es nicht nur, die Pläne zu diskutieren, sondern zusätzlich die potentiellen Verdächtigen zu analysieren, Motive zu suchen, Theorien zu erörtern und daraus resultierende Handlungen und Optionen festzulegen. Okay, das gehört in einem gewissen Maß irgendwie immer zum Spiel.

Ich habe vor allem ein Problem damit, wenn es überhand nimmt. Wenn drei Viertel eines Spielabends im Konjunktiv stattfinden, aber niemals Realität werden, dann bleibt am Ende von solchen Diskussionen: Nichts. „Und, was habt ihr heute erlebt? – Nun, wir haben vor einer Scheune gestanden und diskutiert, aber als wir reingegangen sind, war sie leer.“ Kann man mögen. Ich finde es schwierig, wenn die Balance nicht mehr stimmt.

Solche Situationen erfordern meiner Meinung nach eine erhöhte SL-Aufmerksamkeit. Die SL muss an solchen Stellen regulierend eingreifen, damit sich die Spieler*innen nicht verrennen und damit die Konjunktiv-Zeit nicht die gesamte Spielzeit dominiert. Im Grunde einmal mehr eine Form von Railroading. Oder man akzeptiert halt, dass im Grunde nichts passiert und man die meiste Zeit in einem Gedankengebäude verbringt (das bereits im Gedankengebäude des Spielerlebnisses steckt, was die Sache noch verrückter macht).

Kriminalabenteuer mögen ein spezielles Genre sein – gut gemacht gehören sie allerdings zu den Highlights dessen, was man als Rollenspieler*in erleben kann (zumindest mir geht es so). Wenn es nicht so schwierig wäre, sie umzusetzen.

Mich würde interessieren, welche Erfahrungen ihr gemacht und welche Lösungsansätze ihr gewählt und für euer Spiel als gut empfunden habt.

Khom – Sultane

Ein großer, sinnvoll zu benutzender Cast, welche SL träumt nicht davon? Im Rahmen einer Sandbox wie der Khom Kampagne ist das umso erstrebenswerter. Woher sollen schließlich die Trigger, Aufgaben und Hebel kommen, mit denen die Spieler*innen arbeiten können?

Problematisch wird es dann, wenn genau vier NSCs auf der Seite der Verbündeten beschrieben sind – und diese zu allem Überfluss erst im späteren Verlauf der Kampagne überhaupt auftauchen. Am Beispiel von Sultanen will ich einen kurzen Abriss geben, was man in einem solchen Fall tun kann, um rasch zu einer größeren Substanz an NSCs zu gelangen.

Khom – Ebenen der Kampagnenplanung

Eine Sandbox von der Größe der Khom zu leiten ist ein fürchterlich anstrengender, niemals endender Kampf gegen die natürliche Entropie. Es gilt Dutzende verschiedene Schauplätze, einen schier unerschöpflichen Cast, die Motive und Handlungen von NSCs und SCs zu jonglieren – und sich nicht dabei in der Spielvorbereitung vollkommen aufzureiben.

Jede SL hat sicherlich ihren eigenen Weg, damit umzugehen, der bei ihr funktioniert. Eine Methodik, die mir dabei über Jahre hinweg geholfen hat, war die Drei-Ebenen-Systematik.